Amsterdam. .

Nach herben Verlusten bei der Parlamentswahl in den Niederlanden zieht Ministerpräsident Jan Peter Balkenende die Konsequenzen: Er tritt als Vorsitzender der Christdemokraten zurück. Die Rechtspopulisten sind dagegen überraschend stark.

Nach der klaren Niederlage seiner Christdemokraten bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden hat Ministerpräsident Jan Peter Balkenende seinen Rücktritt als Parteichef erklärt. „Die Ergebnisse sind sehr, sehr enttäuschend“, sagte der 54-Jährige am Mittwochabend, nachdem seine CDA ersten Prognosen zufolge bei der Wahl nur auf dem vierten Platz landete. „Das ist eine Ohrfeige.“ Balkenende kündigte zugleich an, nicht dem neuen Parlament angehören zu wollen. Das Amt des Ministerpräsidenten wolle er bis zur Konstituierung einer neuen Regierung weiterführen.

Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in den Niederlanden haben ersten Prognosen zufolge die rechtsliberale Partei für Demokratie und Freiheit (VVD) und die sozialdemokratische Arbeiterpartei (PvdA) gewonnen. Beide liegen den am Mittwochabend veröffentlichten Zahlen zufolge mit 31 Mandaten gleichauf. Drittstärkste Kraft ist demnach die Freiheitspartei des Rechtspopulisten Geert Wilders mit 23 Parlamentssitzen. Die konservativen Christdemokraten (CDA) des bisherigen Ministerpräsidenten Jan Peter Balkenende stürzten auf 21 Mandate ab.

Die Neuwahl wurde notwendig, weil Balkenendes Mitte-Rechts-Regierung im Februar am Streit über eine Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes zerbrach. Die VVD stellt bislang 22 der 150 Abgeordneten im Parlament, die CDA 41. Ein Bündnis mit Wilders schlossen so gut wie alle Parteien aus.

Liberale wollen Einwanderungspolitik verschärfen

Die VVD trat im Wahlkampf für einen Abbau des Haushaltsdefizits ohne Steuererhöhungen ein, will das Renteneinstiegsalter heraufsetzen und die Einwanderungspolitik verschärfen. So soll kein Immigrant in den ersten zehn Jahren nach seiner Ankunft staatliche Finanzhilfen bekommen. Als möglicher neuer Regierungschef wurde vor der Wahl der 43-jährige Ex-Manager Mark Rutte von der VVD gehandelt. Er wird als „Wilders light“ bezeichnet - seine Haltung zur Zuwanderung sei ebenso hart wie die Wilders“, nur nicht so bösartig, heißt es.

Sollte die VVD in die Regierungsverantwortung kommen, dann wäre es das erste Mal seit 1913, als ihre Vorgängerpartei dies schaffte. Als Juniorpartner war sie allerdings schon an mehreren Regierungen unter Führung der Arbeiterpartei und der Christdemokraten beteiligt.

Wilders-Partei schon bei Kommunalwahl überraschend stark

Die PvdA will an den Sozialausgaben nicht rütteln, die Steuern erhöhen und Einwanderer besser integrieren. Ihr Spitzenkandidat Job Cohen trat 2004 als Bürgermeister von Amsterdam nach der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh durch einen islamischen Extremisten gemeinsam mit dem damaligen Stadtrat Ahmed Aboutaleb der verbreiteten anti-islamischen Stimmung im Land entgegen.

Die Freiheitspartei schnitt bereits bei der Kommunalwahl im März überraschend stark ab und lag bei einer landesweiten Probeabstimmung unter Schulkindern in dieser Woche ganz vorne. Sie will die Einwanderung aus muslimischen Ländern unterbinden, den Bau neuer Moscheen verbieten und eine „Kopftuchsteuer“ einführen. Ihrem 46 Jahre alten Parteichef Wilders drohen strafrechtliche Ermittlungen wegen Anstiftung zum Rassenhass. Er hat unter anderem den Koran als faschistisches Buch bezeichnet und dessen Verbot gefordert. Da Wilders immer wieder mit dem Tod bedroht worden ist, lebt er ständig unter Polizeischutz. (apn/afp)