Berlin. .

Mit Sahra Wagenknecht wurde eine der prominentesten und umstrittensten Köpfe der Linkspartei für die Führungsriege nominiert: Eine Annäherung an die SPD ist mit ihr kaum möglich. Die Linke werde nicht zu einer Kopie der neoliberalen SPD werden, sagt Wagenknecht im Interview.

In der neuen Führungsriege der Linkspartei ist sie das einzige Gesicht aus NRW – und zugleich das umstrittenste. Als Ultra-Linke musste Sahra Wagenknecht schon häufig mit Widerständen kämpfen, auch innerhalb der eigenen Partei. Vor knapp zwei Jahren hatte sie bereits mit dem Amt der Parteivize geliebäugelt – und musste zurückstecken, als ein Protest-Beben losbrach. Sie wolle ihrer Partei eine Zerreißprobe ersparen, erklärte sie damals.

Jetzt ist die 40-Jährige fast am Ziel. Doch sie zahlt dafür auch einen Preis: Als Wortführerin der „Kommunistischen Plattform“ kann sie künftig nicht mehr auftreten. Denn niemand im neuen Vorstand darf gleichzeitig an der Spitze einer Splittergruppe stehen. Mit DerWesten sprach Wagenknecht über ihr neues Amt und die NRW-Wahl. Eines wird schnell klar: Eine Annährung an die SPD wird mit ihr kaum möglich sein – und anpassen will sie sich nicht.

In den vergangenen Monaten hat die Linkspartei immer wieder mit internen Querelen auf sich aufmerksam gemacht. Wird es der neuen Doppelspitze aus Klaus Ernst und Gesine Lötzsch gelingen, diese Grabenkämpfe zu befrieden?

Sahra Wagenknecht: Ganz alleine werden sie das natürlich nicht schaffen. Aber wenn in der Partei insgesamt der Wille da ist, die Linke wieder mit ihren Inhalten in die Öffentlichkeit zu bringen und nicht mit irgendwelchen Personalquerelen, dann stehen die Chancen gut. Und ich glaube, das ist auch dringend nötig. Denn Deutschland braucht eine starke Linke.

In der neuen Führungsriege der Linkspartei sind alle parteipolitischen Strömungen vertreten. Sind Unstimmigkeiten da nicht vorprogrammiert?

Wagenknecht: Es gibt ja den Vorschlag, dass die Vertreter der Parteispitze eine ausdrückliche Tätigkeit für eine bestimmte Strömung aufgeben. Das ist vernünftig, ändert aber nichts daran, dass man seine inhaltlichen Positionen beibehält. Und natürlich gibt es da erhebliche Differenzen. Das sind aber Differenzen, die in der Partei insgesamt existieren. Und natürlich brächte es auch nichts, diese aus der Führung herauszuhalten.

Sie sind selbst die Wortführerin der „Kommunistischen Plattform“ der Linkspartei. Als stellvertretende Parteivorsitzende müssten Sie diese Arbeit jedoch ruhen lassen. Wird Ihnen das schwer fallen?

Wagenknecht: Meine inhaltlichen Positionen werde ich weiterhin vertreten. Aber es ist doch völlig klar: Wenn ich zur stellvertretenden Vorsitzenden gewählt werde, dann, um die gesamte Partei zu vertreten und nicht eine einzelne Strömung. Mein wichtigstes Anliegen ist, dass Die Linke den erfolgreichen Kurs der letzten Jahre, der von Oskar Lafontaine geprägt wurde, beibehält.

Befürchten Sie nicht, dass Sie sich stärker anpassen und hin und wieder sogar eine Kröte schlucken müssen?

Wagenknecht: Nein, wenn die Linke dabei bleibt, dass sie klar sagt, wir lehnen Kriege ab, wir sagen Nein zu Hartz IV, wir sind gegen jede Art von Sozialraub und Privatisierungen, wir sind eine konsequent antineoliberale und antikapitalistische Partei, dann ist das die Politik, für die ich stehe. Um die mitzutragen, muss ich keine Kröte schlucken. Und ich werde dafür kämpfen, dass dieser Kurs nicht gekippt wird, um sich der SPD anzudienen. Das ist ja leider eine Vorstellung, die es bei einigen Parteikollegen gibt. Aber: Die Linkspartei wurde mit konkreten Inhalten gewählt. Und es kann einfach nicht sein, dass wir diese Inhalte nach der Wahl aufgeben. Insoweit muss sich die gesamte Parteiführung dieser Linie verpflichtet fühlen. Auch frühere Erfahrungen der PDS zeigen übrigens: Eine linke Partei, die sich anpasst, wird gnadenlos abgestraft. Und das zu Recht.

Sie waren vor knapp zwei Jahren schon einmal als stellvertretende Parteivorsitzende im Gespräch. Damals hatten Sie mit Widerständen von Parteikollegen zu kämpfen. Was hat sich seitdem geändert? Warum ist es jetzt einfacher für Sie?

Wagenknecht: Es gab damals deutliche Widerstände aus einigen ostdeutschen Ländern. Die Linkspartei war zu dieser Zeit noch sehr jung. Ich denke, die Partei hat sich seitdem deutlich auf einem linken Kurs stabilisiert.

Das nächste wichtige Ziel der Linken ist die NRW-Wahl im Mai. Welche Rolle werden Sie im Wahlkampf spielen?

Wagenknecht: Ich werde viele Wahlveranstaltungen machen. Die NRW-Wahl hat auch bundespolitisch für uns eine zentrale Bedeutung. NRW ist das bevölkerungsreichste Bundesland, und Rüttgers hat in der SPD längst keine ernstzunehmende Opposition gegen seine neoliberale Politik mehr. Die Menschen nehmen wahr, dass sich all diese Parteien kaum noch unterscheiden. Wir werden deutlich machen, dass es Alternativen gibt. Eine starke Linke im Landtag von NRW ist notwendig, um sowohl die Sozialdemokraten als auch Rüttgers unter Druck zu setzen.

Sie sehen Ihre Partei also eher in der Rolle der Opposition als in einem rot-rot-grünen Bündnis?

Wagenknecht: Sollte die SPD über ihren Schatten springen und tatsächlich bereit sein, eine soziale Politik mitzutragen, wären wir natürlich bereit, eine Koalition mit ihr zu bilden. Ich sehe das Problem nicht bei der Linken, sondern bei den Sozialdemokraten. Die SPD war als Regierungspartei für die schlimmsten sozialen Untaten der bundesdeutschen Geschichte verantwortlich: Hartz IV, die Zerschlagung der gesetzlichen Rente, um nur einige zu nennen. Nicht zu vergessen: der Beginn des Krieges in Afghanistan. Und sie hat sich bis heute nicht von diesem neoliberalen Erbe emanzipiert. Wenn SPD-Chef Gabriel sagt, in NRW wolle er nicht mit der Linkspartei zusammengehen, muss ich an der Absicht zweifeln, dass die Sozialdemokraten Rüttgers überhaupt ablösen wollen. Denn Rot-Grün allein wird keine Mehrheit haben.

NRW-SPD-Chefin Hannelore Kraft schiebt dagegen der Linkspartei den Schwarzen Peter zu und fordert sie zu einem Kurswechsel auf. Wären Sie denn auch dazu bereit, den Sozialdemokraten ein Stück weit entgegenzukommen?

Wagenknecht: Offenbar erwartet die SPD, dass wir ihren Weg gehen. So wie sie sich zur Kopie der CDU entwickelt hat, hofft sie offenbar, dass wir zur Kopie einer neoliberalen SPD werden. Da kann ich nur sagen: Das können sie vergessen. Für wie blöd halten die uns eigentlich? Die SPD hat sich mit ihrem Kurs überflüssig gemacht. Als zweite CDU braucht sie niemand. Und als zweite SPD bräuchte niemand die Linke.

Das Urteil der SPD über die Linkspartei in NRW ist ebenfalls vernichtend. „Nicht regierungsfähig“ seien sie. Die Linken werden als „chaotischer Haufen“ oder „kommunistische Dinosaurier“ beschimpft. Wir erklären Sie sich diese massive Abwehr?

Wagenknecht: Die SPD hat Angst. Wir halten ihr gewissermaßen den Spiegel vor, indem wir verdeutlichen, dass es Alternativen zu der Politik gibt, die sie seit Jahren mitgetragen hat. Es spricht nicht für die SPD, dass sie inhaltliche Auseinandersetzung mit den Linken durch Denunziation und Demagogie ersetzt. Da werden Teile des Wahlprogramms aus dem Zusammenhang gerissen und einzelne Programmpunkte aufgebauscht, zum Beispiel die Forderung nach Legalisierung weicher Drogen. Das ist eine Position, die die Grünen schon lange vertreten. Das hat die SPD nicht davon abgehalten, mit den Grünen zu koalieren.

Aber verpassen Sie nicht die Gelegenheit, endlich auch einmal in einem westdeutschen Bundesland mitregieren zu können?

Wagenknecht: Die Gelegenheiten haben wir bereits in mehreren Bundesländern verpasst. Aber das lag bekanntlich nicht an der Linken. In Hessen ist die SPD an sich selbst gescheitert. Im Saarland haben die Grünen es vorgezogen, den CDU-Ministerpräsidenten Müller wieder an die Macht zu hieven. Das ist ein Problem der SPD und der Grünen. Und das zeigt, wo diese Parteien inzwischen im politischen Spektrum angekommen sind. Sie sind leider weitgehend Teil der neoliberalen Einheitssuppe geworden. Das ist auch ein Grund für die Politikverdrossenheit der Bürger. Da müssen wir als Linke ganz klar zeigen: Wir werden nicht wie die, wir stehen für klare Alternativen.