Essen/München. .

Es hört sich wie ein Witz an: Exakt 203,93 Euro hat der Bund aktuell in Deutschland auf Eis gelegt - Geld im Zusammenhang mit Terror-Organisationen. Das gab der Bundestag jetzt bekannt. Nun streiten sich Experten: Sind Finanz-Sanktionen wirksam - oder nutzlos?

Im Kampf gegen den internationalen Terrorismus sind in Deutschland derzeit exakt 203,93 Euro auf Bankkonten durch den Bund gesperrt. Es geht um Gelder, die Personen oder Organisationen zugeordnet werden, die in Europa unter Terror-Verdacht stehen. Die Zahl hat das Bundes-Wirtschaftsministerium jetzt veröffentlicht und damit eine ‚Kleine Anfrage’ der Dortmunder Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke beantwortet.

Nach Einschätzung der Bundesbank handelt es sich zwar um eine „sehr geringe Summe“ – als wirkungslos mag man im zuständigen „Servicezentrum Finanzsanktionen“ in München die Finanzsperren jedoch nicht verdammen. Vielmehr erklärte ein Mitarbeiter auf Anfrage von DerWesten: „Man sieht an der Summe, dass das Instrument wirksam ist.“ Zumindest lasse es sich aus Sicht der Bundesbank so interpretieren, dass Finanzsanktionen den Betroffenen den Bankverkehr erschwerten, „wenn nicht sogar unmöglich machen.“

EU-Geheim-Gremium entscheidet über Terrorliste

Etwa 7500 Namen von Personen oder Organisationen sind derzeit auf den Terrorlisten erfasst. In Deutschland gehören dazu nach Angaben der Bundesregierung zum Beispiel Gruppierungen wie „Volkskongress Kurdistans“, „Liberation Tigers of Tamils Eelam“ oder die palästinensische Terror-Organisation Hamas. Alle Banktransfers in Deutschland würden täglich elektronisch abgeglichen, heißt es bei der Bundesbank. „Gelistete Personen haben zum Teil zehn verschiedene Alias-Namen“. Erfasste Einzelpersonen dürften aber trotz Konto-Sperre auf einen Teil ihres Vermögens nach wie vor zugreifen - in Höhe der Sozialhilfesätze: „Es soll ja niemand verhungern.“

Die Terror-Liste wird von der EU aus Erkenntnissen der Geheimdienste bestückt. Eine Praxis die für Ulla Jelpke, Innenpolitische Sprecherin der Linken-Fraktion im Bundestag, die Grundrechte verletzt: „Die Bundesregierung sieht diese Listen als verbindlich an, obwohl sie demokratisch unkontrolliert von einem geheim tagenden Gremium des Rates der EU festgelegt wird.“ Grundlage für die Finanzsanktionen ist eine EU-Verordnung, die unter nach den Terroranschlägen vom 11. September Ende 2001 in Kraft gesetzt wurde. Dem vorausgegangen waren Vorschriften der UN, um den Kampf gegen El Kaida und Co. international zu verschärfen.

Allerdings werden die umstrittenen Antiterror-Gesetze in Deutschland mit Vorratsdatenspeicherung oder biometrische Ausweisen unter Experten kritisch betrachtet: „Die klassische Polizeiarbeit und das Unterwandern von Gruppen sind bis dato die erfolgreichsten Instrumente“, meint Martin Kahl, Terrorismus-Experte am Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik.

Terroristen schlüpfen durch die Gesetzes-Maschen

Finanz-Sanktionen scheinen laut Kahl mittlerweile ins Leere zu laufen, sagt Kahl: „Sie zielen auf global tätige Terror-Netzwerke, mit Terroristen, die viel reisen, viele Ländergrenzen überschreiten und weltweit mit Geld versorgt werden müssen.“ Statt dessen deutet sich an, dass Terroristen durch die Maschen des Gesetzes schlüpfen: „Weil wir es zumindest in Deutschland bei den bisherigen Fällen, etwa der Sauerlandgruppe, mit Einzeltätern oder –Gruppen zu tun haben, die sich selbst radikalisierten und finanziell nicht auf Organisationen angewiesen sind.“ Hinzu komme, das zum Bau etwa von Bomben nicht allzu viel Geld nötig ist.

Unterdessen kritisiert die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Links-Fraktion, dass der Bund die Grundrechte weiter aushöhle: „Weil offenbar fast keine Gelder eingefroren werden konnten, wird in laufenden Gerichtsverfahren versucht, die EU-Terrorliste mit dem deutschen Außenwirtschaftsgesetz zu koppeln.“ Das sei ein neuer juristischer Kniff.

Ein für diesen März vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf angesetzter Prozess sei deshalb als Präzedenzfall zu werten. Es geht um einen mutmaßlichen türkischen Linksextremisten, der von Deutschland aus eine kurdische Organisation unterstützt haben soll, die auf der EU-Terrorliste geführt wird: Die Anklage stützt sich nicht mehr auf das Strafgesetzbuch, sondern auf einen Paragraphen im Außenwirtschaftsgesetz (AWG), erklärte Jelpke: Damit habe das Gericht nicht mehr die Möglichkeit, die Terrorzugehörigkeit des Beschuldigten selbst zu hinterfragen. Jelpke: „Die EU-Terrorliste ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar und gehört abgeschafft.“