Berlin. Jugendliche blicken hierzulande überwiegend pessimistisch in die Zukunft, obwohl es ihnen besser geht als Gleichaltrigen in anderen Industriestaaten. Deutschland liegt danach bei den Lebensbedingungen Jugendlicher im oberen Mittelfeld der 21 untersuchten Länder.
Kinder in Deutschland haben es im Vergleich zu anderen Industrieländern nicht besonders gut. Das ergab eine Studie, die das UN-Kinderhilfswerk Unicef am Donnerstag vorlegte. Besonders alleinerziehenden Müttern und ihrem Nachwuchs geht es hierzulande relativ schlecht. Deutschland konnte sich zwar im Vergleich zu 2007 um drei Plätze auf Platz acht verbessern und belegt damit einen guten Mittelplatz, in den Bereichen «Materielles Wohlbefinden» und Gesundheit ist es jedoch unterdurchschnittlich.
Den ersten Platz unter 21 Nationen belegten erneut die Niederlande. Hinter dem Mittelplatz für Deutschland «verbergen sich deutliche Defizite», erklärte Geschäftsführerin Regine Stachelhaus von Unicef Deutschland. «Der Armutsdruck ist gerade für Alleinerziehende dramatisch. Sie werden von der Politik bisher nicht erreicht.»
Besorgniserregend sei, dass Jugendliche hierzulande ihre beruflichen Perspektiven düsterer sehen als in allen anderen Industrienationen. Sie berichten häufiger davon, sich allein gelassen und als Außenseiter zu fühlen. Als «erfreulich» ermittelten die Forscher dagegen, dass der Anteil der Kinder, die die Schule nach eigenen Angaben «sehr gerne» mögen, mit 36 Prozent überdurchschnittlich hoch lag.
«Pass auf, dass Du nicht scheiterst!»
Einer der Autoren der Studie, Hans Bertram von der Humboldt-Universität, erklärte, bei amerikanischen Jugendlichen komme trotz deutlich ungünstigerer materieller Bedingungen die Botschaft an: «Du kannst es schaffen!» «In Deutschland vermitteln wir vor allem mögliche Gefahren. Nach dem Motto: Pass auf, dass Du nicht scheiterst!»
Bertram und Koautor Steffen Kohl haben das Wohlbefinden der Kinder in 21 Industrieländern anhand von sechs Dimensionen verglichen: materielles Wohlbefinden, Gesundheit und Sicherheit, Bildung und Ausbildung, Beziehungen zu Familie und Gleichaltrigen, Verhaltensrisiken sowie subjektives Wohlbefinden. Danach hat sich Deutschland in den Dimensionen Bildung, Beziehungen zu Gleichaltrigen und Familie sowie Verhalten und Risiken verbessert.
Bei Gesundheit und Sicherheit belegt Deutschland Platz elf. Defizite gibt es weiter hinsichtlich der Säuglingssterblichkeit, des Geburtsgewichts der Kinder und der Impfrate.
In der Dimension Bildung und Ausbildung sahen die Autoren trotz Fortschritten auch Besorgnis erregende Trends. So erwarten knapp 25 Prozent, dass sie nach Beendigung der Schule und der Ausbildung nur Arbeiten mit niedriger Qualifikation ausüben werden. In den USA, die im Gesamtvergleich ganz hinten liegen, haben nur neun Prozent eine so pessimistische Erwartung hinsichtlich ihrer Zukunftschancen. Deutschland liegt hier auf dem letzten Platz aller untersuchten Industrieländer. Rund zwölf Prozent der Jugendlichen im Alter von 13 und 15 Jahren in Deutschland leiden an Übergewicht und Bewegungsmangel.
Nicht nur nach Leistungsfähigkeit beurteilen
Das UN-Kinderhilfswerk appellierte an Bundesregierung, Länder und Kommunen, das Wohlbefinden und die Rechte der Kinder zum Maßstab ihrer politischen Entscheidungen zu machen. Kinder dürften nicht nur aus der Perspektive ihrer Leistungsfähigkeit beurteilt werden. Ihr Selbstvertrauen und ihre Rechte müssen grundlegend gestärkt werden, am besten durch Verankerung im Grundgesetz.
«Der Kampf gegen Kinderarmut in Deutschland muss gezielt verstärkt werden», forderte Unicef. Mehr müsse auch getan werden, um die Gesundheit der Kinder zu fördern. Um dem internationalen Problem übergewichtiger Kinder zu begegnen, müssten Sport und Bewegung sowie ausgewogene Ernährung einen höheren Stellenwert erhalten. Medien, Politik und Elternhäuser sollten sich konsequenter gegen Rauchen und Alkoholkonsum positionieren.