Duisburg.
Die bis Dienstag verstorbenen 20 Todesopfer des Unglücks während der Duisburger Loveparade sind ausnahmslos an Brustquetschungen gestorben. Hannelore Kraft wies damit frühere Meldungen zurück, wonach die meisten Opfer zu Tode stürzten.
Die bis Dienstag verstorbenen 20 Todesopfer der Loveparade in Duisburg sind alle an Brustquetschungen gestorben. Dies ergab die Obduktion der Getöteten, wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Dienstag in Düsseldorf mitteilte. Damit liege der Befund nahe, dass die Opfer in der Menschenmenge erdrückt worden seien. Entgegen ersten Annahmen sei bei der Massenpanik am Samstag an einem Zugangstunnel zum Loveparade-Gelände keines der Opfer durch einen Sturz von einem Treppenaufgang ums Leben gekommen.
Die Ministerpräsidentin ging damit deutlich auf Distanz zu den örtlichen Verantwortlichen: „Wenn sie die Videosequenzen gesehen haben, ich zumindest habe dort niemanden stürzen sehen. Das hat mich schon etwas gewundert.“ Offensichtlich sei keiner von der hohen Mauer gestürzt. „Das war ja die erste Aussage, die am Samstag kam.“
Was die Verantwortlichen zur Todesursache sagten
Der Duisburger Sicherheitsdezernent Wolfgang Rabe betonte noch am Sonntag während der Pressekonferenz, dass die Engpässe offenbar durch Besucher ausgelöst wurden, die sich beim Zugang zum Veranstaltungsgelände vordrängeln wollten. Dabei sei eine Gruppe von mehreren Personen im Bereich des Tunnelaufgangs über eine Absperrung geklettert und abgestürzt. Dadurch sei dann wohl eine „Kettenreaktion“ ausgelöst worden.
Oberbürgermeister Adolf Sauerland hatte am Samstag herbe Kritik auf sich gezogen, als er sagte, dass aus seiner Sicht die Ursache für die Tragödie nicht in einem mangelhaften Sicherheitskonzept zu suchen, sondern höchstwahrscheinlich auf „individuelle Schwächen“ zurückzuführen sei.
Teilnehmer seien von ungesicherter Treppe in die Menge gestürzt
Der Panik- und Stauforscher Michael Schreckenberg hatte am Wochenende den Auslöser für die Katastrophe ebenfalls im Verhalten von Teilnehmern gesehen. „Das Unglück ist nicht passiert, weil es zuvor im Tunnel zu eng und die Masse panisch war, sondern weil einige hinter dem Tunnel versucht haben, schneller auf das Gelände zu gelangen“, sagte Schreckenberg. Sie seien auf eine ungesicherte Treppe gestiegen und in die Menge gestürzt. So habe sich „die Masse weiter verdichtet“. Die Katastrophe sei nicht durch Panik entstanden, sondern „als Folge einer physikalischen Zwangsläufigkeit. Eine hochverdichtete Masse gerät in Bewegung“. Auf kritische Nachfragen hin erklärte Schreckenberg: „Es gibt aber immer Menschen, die sich nicht an die Spielregeln halten. Im Sicherheitsplan war nicht vorgesehen, dass Menschen von oben herunterfallen.“
Auch der stellvertretende Polizeipräsident von Duisburg, Detlef von Schmeling, sagte am Sonntag, dass 14 Opfer von einer Metalltreppe an der westlichen Seite des Zugangs gestürzt seien, zwei seien an einer Plakatwand am Aufgang zum Gelände ums Leben gekommen. Die anderen seien im Krankenhaus gestorben.
Mangelhafte Kommunikation der Ordnungskräfte
Derweil gibt es weitere Versuche den Hergang der Katastrophe zu rekonstruieren. „Tunnel und Rampe als einziger Zu- und Abgang auf das Gelände ist nach der Gesetzeslage überhaupt nicht zulassungsfähig“, stellt Rainer Wendt, Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft fest. Der Ordnungsdienst hätte die Besucherströme leiten müssen. Die Polizei bestätigt diese These durch die Praxis. Am Samstag um 17.32 Uhr gibt es eine Pressemeldung: „Das Veranstaltungsgelände ist zurzeit wegen Überfüllung geschlossen. Die Polizei gibt über Lautsprecher Hinweise an die Teilnehmer und bittet sie, zurück in Richtung Hauptbahnhof zu gehen.“ Am Sonntag will die Polizei davon nichts mehr wissen. Sie erklärt: „Zu keiner Zeit hat die Polizei den Zugang am oberen Ende der Rampe gesperrt.“
Die Kommunikation zwischen den Ordnungskräften einige hundert Meter vor dem Tunnel und denen am Tunnel war mangelhaft. Bei richtiger Absprache hätten die Menschenmassen weit vor dem Nadelöhr gestoppt werden müssen, statt sie zur völlig überfüllten Rampe zu schicken. Loveparade-Chef Rainer Schaller wirft der Polizei vor, „alle Schleusen vor dem westlichen Tunneleingang geöffnet“ zu haben. Bis 14 Uhr waren zehn der 16 Schleusen geschlossen. Polizisten erklären stern.tv, sie hätten um 16.15 Uhr die Meldung erhalten, dass die Schleusen an der Westseite überrannt worden sind. Circa 20 Minuten später eskalierte die Situation, der Auftrag der Einsatzkräfte, als „Wellenbrecher“ zu fungieren, konnte nicht mehr umgesetzt werden. Die Besucher strömen spätestens jetzt mit voller Wucht unkontrolliert durch den Tunnel auf die Rampe. Das Gelände des alten Güterbahnhofs ist für den Ansturm der Massen nicht ausgelegt, die Rampe wird für 20 Menschen zur Todesfalle. (afp/apn/ddp/wp)