Duisburg. .
Der Planungsdezernet der Stadt Duisburg hat gegenüber der WAZ-Mediengruppe bestätigt, dass nur 250.000 Menschen auf das Festgelände in Duisburg durften. Bei der Genehmigung soll die Stadt laut einem Medienbericht zudem getrickst haben.
Lediglich 250.000 Besucher hätten sich nach Informationen der WAZ-Mediengruppe zeitgleich auf dem Loveparade-Gelände aufhalten dürfen. Planungsdezernent Jürgen Dressler bestätigte am Sonntag im Gespräch mit der Redaktion diese Zahl. Sein Dezernat habe in der vergangenen Woche in einer Baugenehmigung für die eingezäunte Fläche die Beschränkung auf 250.000 Besucher festgelegt, sagte Dressler. Die Baugenehmigung sei dem Veranstalter zugeleitet worden.
Auf die Frage, wer dann die Million Raver auf dem Areal zu vertreten hätte, sagte Dressler: „Das ist eine Frage, die zu klären sein wird.“ Planungsdetzernent Jürgen Dressler war übrigens nicht dem Wunsch von Oberbürgermeister Adolf Sauerland nachgekommen, an der Pressekonferenz am gestrigen Sonntag im Rathaus teilzunehmen. Er habe darauf verzichtet, weil er nicht für etwas in Verantwortung gezogen werden wolle, was er nicht zu vertreten habe.
Internes Dokument
Wie „Spiegel Online“ unter Berufung auf ein internes Dokument der Duisburger Stadtverwaltung berichtet, wurden die Veranstalter von der Einhaltung der vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege befreit.
„Spiegel Online“ beruft sich auf ein Schreiben der Duisburger Bauaufsicht an die Organisatoren der Loveparade, die Berliner Lopavent GmbH. Das Schriftstück vom 21. Juli 2010 mit dem Aktenzeichen 62-34-WL-2010-0026 trage den Titel „Genehmigung einer vorübergehenden Nutzungsänderung“. Der Sachbearbeiter der Unteren Bauaufsicht im Duisburger Amt für Baurecht und Bauberatung habe darin die Organisatoren von der Vorschrift befreit, die vorgeschriebenen Breiten der Fluchtwege einhalten zu müssen. Gleichzeitig hätten die Beamten auf Feuerwehrpläne verzichtet.
„Einfach eine Nummer zu groß“
Dafür gaben sie laut „Spiegel Online“ den Ausrichtern der Party vor: „Die maximale Personenzahl, die sich gleichzeitig auf dem Veranstaltungsgelände aufhalten darf, wird (...) auf 250.000 Personen begrenzt.“ Die Veranstalter des Festes hatten wenige Stunden vor dem Unglück indes von etwa 1,4 Millionen erwarteten Teilnehmern gesprochen.
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung:: „Ich habe schon vor einem Jahr gesagt, dass die Stadt zu eng ist für eine derartige Großveranstaltung.“ Er glaube, dass Duisburg sich übernommen habe, meinte Wendt: „Das war einfach eine Nummer zu groß.“ Die Zugangswege zu dem Gelände seien „offensichtlich für diese Menschenmassen ungeeignet“ gewesen, kritisierte Wendt, der gebürtiger Duisburger ist.
Polizei fordert bessere Ausbildung von Ordnern
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Nordrhein-Westfalen, Frank Richter, fordert eine bessere Ausbildung von Ordnern bei Großveranstaltungen wie der Loveparade. Es reiche nicht, jemandem nur eine Binde umzulegen und zu sagen: „Du bist jetzt Ordner“, kritisierte Richter am Montag im ZDF-“Morgenmagazin“. Auch er monierte, das Gelände, auf dem die Loveparade in Duisburg stattfand, sei für eine solche Veranstaltung gar nicht ausgerichtet gewesen. Die GdP habe zwar darauf hingewiesen. Für die Sicherheit seien jedoch der Veranstalter und die Genehmigungsbehörde, nicht die Polizei zuständig gewesen.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verlangte am Montag, deutschlandweit alle Großveranstaltungen noch einmal auf den Sicherheitsaspekt zu überprüfen. Herrmann sagte, bei allen größeren Veranstaltungen müsse jetzt noch einmal überprüft werden, ob das jeweilige Sicherheitskonzept so gut sei wie es „nach menschlicher Vorausschau möglich ist“. Theoretisch könne immer eine Massenpanik durch Unglücke oder irrationales Verhalten der Besucher auftreten. Dies müsse aber vom Veranstalter einkalkuliert werden. Beim Münchner Oktoberfest beispielsweise gebe es für einen solchen Fall ausgereifte Konzepte.
Innenminister ordnet Trauerbeflaggung an
Der Katastrophenforscher Wolf Dombrowsky von der Universität Kiel sagte im ZDF-“Morgenmagazin“, es gebe eigentlich ausreichend Erfahrungen mit solchen Großveranstaltungen. Von daher könne man aus dem Unglück keine „Lehren“ ziehen. Man müsse bei der Planung nur die bereits vorhandenen Forschungsergebnisse anwenden.
NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hat wegen des Unglücks bei der Loveparade Trauerbeflaggung für alle Dienstgebäude des Landes, der Gemeinden und Gemeindeverbände sowie der übrigen Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterliegen, angeordnet. „Damit geben wir unserer tiefempfundenen Trauer und Verbundenheit mit den Angehörigen und Freunden der Opfer Ausdruck“, sagt Jäger.
Nach der Massenpanik mit 19 Toten bei der Loveparade in Duisburg richten sich die behördlichen Ermittlungen bislang nicht gegen konkrete Personen. Die Staatsanwaltschaft Duisburg ermittle wegen fahrlässiger Tötung gegen Unbekannt, teilte deren Sprecher Rolf Haferkamp am Montag mit. Zunächst müssten Fotos und Videos ausgewertet sowie Zeugen gehört werden. Wann dies abgeschlossen sei, sei derzeit noch nicht abzusehen.
Keine rasche Aufklärung
„Das wird Wochen, wenn nicht Monate dauern“, sagte Staatsanwalt Rolf Haferkamp am Montag der Nachrichtenagentur Reuters. Es müssten viele Zeugen befragt werden, die auch erst ausfindig gemacht werden müssten. „Wir werten auch Fotos und Videos aus.“ Zudem würden zahlreiche Unterlagen überprüft. Die Staatsanwaltschaft hatte am Sonntag das Sicherheitskonzept der Veranstalter und der Stadt beschlagnahmt.
Von den mehr als 340 bei dem Unglück bei der Loveparade in Duisburg verletzten Menschen befindet sich niemand mehr in Lebensgefahr. Dies sagte am Montag der Sprecher der Staatsanwaltschaft Duisburg, Rolf Haferkamp. Bei einer Massenpanik bei der Loveparade waren am Samstag 19 Menschen ums Leben gekommen und 342 verletzt worden.
Die Stadt Duisburg will derweil mit einer Trauerfeier der Opfer der Loveparade gedenken. Ein Termin dafür steht nach Angaben von Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) derzeit noch nicht fest. (ap/ddp/we/rtr)