New York. .

Nach der Explosion einer Bohrinsel des Mineralölkonzerns BP nähert sich der Ölteppich im Golf von Mexiko jetzt auch den Stränden Floridas. BP drohen Milliardenklagen wegen der Katastrophe.

Die Ölpest im Golf von Mexiko bedroht die Strände von Florida. Ein dünner Ölfilm wurde 14 Kilometer von den berühmten weißen Sandstränden von Pensacola entfernt gesichtet, wie die Behörden erklärten. Obwohl Helfer zum Schutz der Küste Barrieren gegen das Öl errichteten, wurde nicht damit gerechnet, dass sie das Öl vollständig von den Stränden fernhalten können. Florida wäre nach Louisiana, Alabama und Mississippi der vierte von der Ölkatastrophe betroffene US-Staat.

Der BP-Konzern muss sich nach dem Öl-Desaster im Golf von Mexico auf Kosten noch nicht abschätzbaren Ausmaßes einstellen. Eine noch nie dagewesene Welle von Klagen rollt auf den Konzern zu, die US-Regierung bittet den Ölriesen gleich mehrfach zur Kasse. Damit nicht genug: In den sechs Wochen seit dem Untergang der Bohrinsel verlor BP am Aktienmarkt rund 75 Milliarden Dollar (etwa 61 Milliarden Euro) an Wert. BP scheint jedoch robust genug, das Desaster zu überstehen: Analysten bestätigen dem Konzern ausreichend finanzielle Möglichkeiten, einem Konkurs zu entgehen.

„Alle entlang der Küste vertretenen Unternehmer werden klagen“

Aus Sicht des auf maritimes Recht spezialisierten Anwalts Fred Kuffler droht dem Konzern eine beispiellose Fülle von Klagen. „Von Jet-Ski-Verleihern bis hin Kreuzfahrt-Anbietern - alle entlang der Küste vertretenen Unternehmer werden klagen“, sagt er. Die US-Regierung fordere darüber hinaus nicht nur Strafzahlungen für jedes ins Meer geflossene Barrel Öl; der Konzern müsse auch für die Eindämmung des Ölteppichs inklusive Reparaturen an Austernbanken und Fischereizonen aufkommen, ergänzt der Anwalt.

Pro Barrel zu 159 Liter wird eine Geldbuße von mindestens 1000 Dollar fällig. Würde das Ölleck in dieser Woche geschlossen, beliefe sich allein das bisher aufgelaufene Bußgeld für den Konzern auf rund eine Milliarde Dollar. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft, um die Verantwortung für die Katastrophe zu klären.

Fischer verlieren Jobs, Anleger Milliarden

Bluten müssen auch andere: Nach Schätzungen der US-Regierung dürften etwa 12 000 Mitarbeiter der in Louisiana angesiedelten Fischereien ihre Jobs verlieren. „Nahezu jeder Krabben- und Austerverarbeiter ist erledigt“, sagt Spencer Collier, Abgeordneter des Bundesstaates Louisiana. Neben dem Öl könnten auch die von BP zur Eindämmung eingesetzten Chemikalien den Betrieben zu schaffen machen. Ökologen befürchten ein weiteres Fischsterben infolge der Säuberungsaktion.

Neben den direkt von der Ölkatastrophe betroffenen Fischerbetrieben verlieren auch Investoren am Kapitalmarkt täglich Milliarden von Dollar: Allein am Dienstag rutschten die Aktien des Konzerns um 13 Prozent in den Keller, am Mittwoch ging es weiter abwärts. Einbußen mussten auch andere in das Unglück verwickelte Unternehmen wie der Ölfeldausrüster Halliburton oder der Bohrspezialist Transocean hinnehmen: Sie büßten in den vergangenen sechs Wochen rund 30 Prozent ihres Wertes ein.

Experten: BP kann Kosten stemmen

BP selbst zahlt bereits Millionenbeträge: Nach eigenen Angaben gab der Konzern bisher an die 40 Millionen Dollar aus, um die Hälfte der bisher 30.000 von Klägern eingeforderten Entschädigungen zu begleichen. Etwa 130 Gerichtsverfahren stehen dem Unternehmen ins Haus. Darüber hinaus investierte der Konzern rund eine Milliarde Dollar in Maßnahmen zur Eindämmung des Ölteppichs. Der Regierung zufolge flossen in den vergangenen sechs Wochen bis zu 163 Millionen Liter Öl ins Meer.

Trotz der horrenden Kosten sind US-Finanzexperten überzeugt, dass BP keine Insolvenz riskiert. Die Zahlungen könnten sich über Jahrzehnte verteilen; darüber hinaus stellten Banken etwa 15 Milliarden Dollar an Krediten bereit. Zugutekommen könnten dem Energieunternehmen außerdem extrem lukrative Ölpreise. Solange das Barrel mehr als 60 Dollar kostet, dürften die anderen Bohranlagen BP genug Geld bescheren, um seinen Anteilseignern die erwarteten zehn Milliarden Dollar Dividende zu zahlen.

Nettogewinn von 6,1 Milliarden Dollar

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) rechnet hingegen nicht damit, dass der Konzern den Kosten trotzen kann. „Ich kann mit durchaus vorstellen, dass BP jetzt zu einem Übernahmekandidaten wird“, sagte Energieexpertin Claudia Kemfert dem Nachrichtensender n-tv. Der Ölgigant sei ein attraktives Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitaldecke, aufgrund der Krise jedoch deutlich unterbewertet. „Das könnte attraktiv sein“, sagte Kemfert.

BP hatte seinen Nettogewinn im ersten Quartal 2010 binnen Jahresfrist um 134,6 Prozent auf 6,1 Milliarden Dollar (4,5 Milliarden Euro) gesteigert. Im Vergleich zum letzten Vierteljahr 2009 erhöhte sich das Ergebnis um 41,9 Prozent. Der Umsatz des Konzerns legte im Vorjahresvergleich um 55 Prozent auf 74,4 Milliarden Dollar zu. Im Krisenjahr 2009 war der Gewinn von BP um 21,7 Prozent auf 16,6 Milliarden Dollar gesunken. (ap)