Essen.

Türkische Jugendliche haben es schwerer auf dem Ausbildungsmarkt als deutsche. Die Initiative „Zukunft durch Ausbildung“ will junge Türken fördern und über das Ausbildungssystem aufklären. Der türkische Generalkonsul Dr. Hakan Akbulut erklärt bei DerWesten, wo die Probleme liegen.

Rund 130.000 Jugendliche haben sich 2009 auf eine Ausbildungsstelle beworben. Darunter waren nur sieben Prozent türkischer Herkunft. Wo liegen die Probleme?

Hakan Akbulut: Eines der größten Probleme, warum viele türkische Jugendliche nur schwer eine Ausbildungsstelle finden, sind ihre schlechten Schulnoten. Daher ist es wichtig, die türkischstämmigen Kinder schon in der Grundschule verstärkt zu fördern. Gleichzeitig wissen sowohl Eltern als auch Jugendliche zu wenig über das deutsche Ausbildungssystem. Viele Institutionen arbeiten daran, Eltern zum Thema Berufsausbildung umfassend zu informieren. Solche Bemühungen müssen noch mehr gefördert werden.

Ist der Vorwurf haltbar, dass Unternehmen bei gleicher Qualifikation immer den deutschen Bewerber einstellen und nicht den ausländischen?

Die mangelnde Chancengleichheit ist ein gravierendes Problem. Ich möchte dabei auf eine Studie der Universität Konstanz verweisen: Die Uni hat mehr als 1000 Bewerbungen für eine Praktikumsstelle an verschiedene Unternehmen geschickt. Türkischstämmige Jugendliche erhielten 15 Prozent weniger Zusagen bei gleicher Qualifikation. Bei kleineren Unternehmen waren es sogar 25 Prozent.

Ist es nicht auch ein Problem der Wertigkeit? Es heißt, dass viele türkische Familien dem deutschen Ausbildungssystem skeptisch gegenüberstehen?

Der Generalkonsul Dr. Hakan Akbulut im Türkischen Generalkonsulat in Essen-Bredeney. WAZ Bild: Walter Buchholz
Der Generalkonsul Dr. Hakan Akbulut im Türkischen Generalkonsulat in Essen-Bredeney. WAZ Bild: Walter Buchholz

Weder die Eltern noch die Jugendlichen sind genügend über die Berufszweige informiert. Darüber hinaus interessieren sich die türkischen Jugendlichen meist nur für bestimmte Ausbildungsbereiche, so dass die Kapazitäten dort sehr schnell verbraucht sind. Meines Erachtens müssen die Familien viel mehr darüber aufgeklärt werden, welche verschiedenen Berufssparten es überhaupt gibt. Dazu kommt, dass immer wieder zu beobachten ist, wie wenig die deutschen und türkischen Jugendlichen aufeinander zugehen. Ich glaube, wenn beide Gesellschaften sich näher kommen und sich gegenseitig besser verstehen, können die Probleme einfacher gelöst werden. Das Miteinander beider Gesellschaften wird auch zu mehr Chancengleichheit beitragen.

Viele Uni-Absolventen gehen zurück in die Türkei

Es sind auf jeden Fall mangelnde Deutschkenntnisse bei türkischen Jugendlichen vorhanden. Aus diesem Grund legen wir als türkisches Generalkonsulat großen Wert darauf, dass in der Schule die deutsche Sprache gelernt wird. Türkisch und Deutsch zu beherrschen, kann auch ein großer Vorteil auf dem Arbeitsmarkt sein.

Verlangt nicht gerade auch der demografische Wandel ein Umdenken in Deutschland? Türkische Jugendliche werden immer dringender auf dem Arbeitsmarkt benötigt...

In Zukunft werden in Deutschland noch mehr qualifizierte Fachkräfte und Akademiker gebraucht. Daher muss es mehr Chancengleichheit geben. Ich höre immer wieder, dass eine große Anzahl an Uni-Absolventen und Fachkräften zurück in die Türkei gekehrt ist oder kehren will. Bei einer im Jahr 2008 durchgeführten Studie kam heraus, dass 40 Prozent der Absolventen planen, zurück in die Türkei zu gehen. Sie begründen ihre Pläne damit, dass eine Anstellung aber auch Aufstiegschancen für junge Türken in Deutschland mit vielen Hürden verbunden seien. In der Türkei fänden sie bessere Voraussetzungen sowie attraktivere Arbeitsmöglichkeiten vor.

„Es ist wichtig, dass die türkischen Zivilgesellschaften mitmachen“

Das Arbeitsministerium der Republik Türkei startet gemeinsam mit dem NRW-Arbeitsministerium die Initiative „Zukunft durch Ausbildung“. Was beinhaltet sie?

Alle vier in NRW ansässigen Generalkonsulate arbeiten in der Thematik Berufsausbildung eng

Generalkonsul Dr. Hakan Akbulut.NRZ-Bild: Oliver Müller
Generalkonsul Dr. Hakan Akbulut.NRZ-Bild: Oliver Müller

zusammen. In Kooperation mit dem Arbeitsministerium des Landes NRW wollen wir mit der Initiative vor allem Informationstage zum Thema Berufsausbildung für die Jugendlichen und ihre Familien organisieren. Außerdem gibt es Informationen in Broschüren und auf unserer Internetseite. Gleichzeitig wollen wir mit türkischen Einrichtungen zusammenarbeiten. Es ist wichtig, dass die türkischen Zivilgesellschaftsorganisationen mitmachen. Das Generalkonsulat in Essen arbeitet übrigens schon eng mit dem Verein “Paten für Arbeit in Essen” zur Thematik Berufsausbildung für türkische Jugendliche zusammen.

Was muss sich langfristig verändern, damit türkische Jugendliche besser in den Ausbildungsmarkt integriert werden können?

Es ist sehr wichtig, dass türkische Jugendliche eine Berufsausbildung haben. Die Anerkennung in der Türkei erworbener Diplome wäre eine erhebliche Erleichterung. Aber die Chancengleichheit und die Annäherung zwischen der deutschen und türkischen Gesellschaft sind für mich die wichtigsten Faktoren für eine bessere Integration türkischer Jugendlicher auf dem Arbeitsmarkt.