Düsseldorf. Justizministerin Müller-Piepenkötter will die Bewährungsstrafe für jugendliche Mehrfachtäter um den Arrest erweitern - und so ein pädagogisches Zeichen setzen.

Die jüngste Kriminalitätsstatistik des NRW-Innenministeriums hatte einige gute Botschaften – etwa den Rückgang der Straftaten insgesamt und eine erhöhte Aufklärungsquote. In einigen Teilbereichen jedoch setzten sich üble Trends der vergangenen Jahre fort: Das betrifft etwa die Zunahme der Gewalttaten und die weiterhin hohe Zahl an Jugendlichen, die an diesen beteiligt waren: Männliche Täter unter 21 begehen beispielsweise jede zweite gefährliche oder schwere Körperverletzung. Bei Raubüberfällen auf offener Straße gehören drei Viertel der Täter dieser Altergruppe an. Und genau genommen kann man die Statistik nochmals auf eine kleinere Gruppe zuspitzen: der Mehrfach- und Intensivtäter. Sie machen nach Angaben von NRW-Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter nur etwa acht Prozent aller jungen Straftäter aus, begehen aber rund die Hälfte aller Delikte der betreffenden Altersgruppen. Kriminalitäts-Forscher fordern bereits seit langem, sich dieser Klientel besonders zu widmen, die zumeist auch mit zahlreichen weiteren sozialen Problemen zu kämpfen haben.

Verbindliche Regeln, schnelle Urteile

Die Landesregierung versucht, dieser Entwicklung mit einem umgangreichen Maßnahmepaket zu begegnen: So wurden jüngst verbindliche Regeln der Zusammenarbeit zwischen Schulen, Polizei und Staatsanwaltschaft in Kraft gesetzt: Dabei geht es um eine verbesserte, gegenseitige Information über Straftaten, um so Transparenz zu schaffen und damit auch die Prävention zu stärken: Jugendliche, die auffällig werden, sollen zum einen früh erkannt, zum anderen aber auch rasche Hilfen erhalten, dass sie nicht auf eine unaufhaltsam schiefe Bahn geraten.

Neben den Hilfestellungen sollen aber die Strafen pädagogisch wirksamer eingesetzt werden: Dabei spielt zum Beispiel der Zeitfaktor eine Rolle. So sollen Gerichtsverfahren für Mehrfachtäter beschleunigt und spätestens einen Monat nach der Tat beginnen. Zum Zweiten jedoch – und hier betritt die NRW-Ministerin Neuland - soll ein sogenannter „Warnschuss-Arrest“ im Jugendgerichtsrecht verankert werden. Müller-Piepenkötter, die ihr Konzept jetzt Berlin vorstellte, begründete ihren Vorstoß mit einer „Lücke zwischen Erziehungsmitteln und der Jugendstrafe“. Konkret geht es darum: Der Jugendarrest ist eine Erziehungsmaßnahme - wird aber von den Tätern zumeist als härter wahrgenommen als eine strafrechtliche Verurteilung auf Bewährung. Konsequenz: Der Mitläufer einer Straftat geht für mehrere Tage (maximal vier Wochen) in den Jugendarrest, der Haupttäter wird zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt - geht aber als scheinbar freier Mann aus dem Gerichtssaal.

Müller-Piepenkötter erscheint diese Reaktion des Rechtsstaates als „nicht eindeutig“. Sie möchte daher jugendliche Straftäter auch dann für eine „Denkpause“ in den Arrest schicken, wenn er eine Bewährungsstrafe erhalten hat. Die Ministerin nennt hier kriminologische Untersuchungen, die dem „Einstiegsarrest“ eine wichtige Rolle einräumen, um eine Betreuung und Behandlung von Intensivtätern zu beginnen. Die Zahl der Arrestplätze in NRW wurde um ein Drittel erhöht: Inzwischen gibt es insgesamt 254.

Das Bundes-Justizministerin ist von dem Vorhaben wenig begeistert. Ein Sprecher bezweifelte gegenüber DerWesten die Sinnhaftigkeit eines Warnschussarrestes: Die Praxis der jetzigen Bewährungsstrafe sehe bereits engmaschige Auflagen vor, die vor allem dem Erziehungsziel dienten und dem Straftäter klarmachen, dass er eben keinen "Freispruch zweiter Klasse", sondern eine letzte Chance erhalten hat, bevor er in den Strafvollzug muss. (DerWesten)