Brüssel. Der illegale Handel mit Organen floriert auch in Europa – Dennoch ignoriert die EU das Problem nach wie vor

„Wollen Sie eine Niere kaufen?“ Im Internet ist alles möglich. Seit Jahren häufen sich die Angebote von dubiosen Händlern und Menschen in finanzieller Not. Sie bieten Lebern, Hornhaut, Eizellen, Nieren zu allen erdenklichen Preisen an. Obwohl das Geschäft riskant ist, versuchen die Betroffenen in ihrer Verzweiflung alles, um an das lebenswichtige Organ zu kommen – und wenn es mehrere hunderttausend Euro kostet.

Mittlerweile ist der Organhandel zu einem gravierenden Problem geworden – nicht nur in Indien, Pakistan oder China. Auch in Europa häufen sich die Meldungen von skrupellosen Organisationen, die sich an der Not todkranker Menschen bereichern. Das EU-Parlament fordert deswegen seit Jahren, härter gegen Organhändler vorzugehen. Doch bislang schauen die Verantwortlichen lieber weg, kritisiert der CDU-Europa-Abgeordnete Peter Liese: „Die Europäische Kommission verharmlost das Thema in unverantwortlicher Weise.“

Tatsächlich gibt die EU-Kommission bis heute an, der Organhandel bewege sich auf „relativ bescheidenem Niveau“. 2005 hatte sie die europäische Polizeibehörde Europol um eine Studie zu dem Thema gebeten – sie sei deswegen nicht erstellt worden, weil man keine dokumentierten Fälle gefunden haben, hieß es. Der Europarat kommt hingegen zu einem ganz anderen Ergebnis: In seinem Auftrag hatte die Schweizer Politikerin Ruth-Gaby Vermot-Mangold schon vor vier Jahren einen Bericht erstellt. Vor allem in armen Regionen der ehemaligen Sowjetunion komme der Handel mit Nieren dem aus Asien und Südamerika bekannten Transplantationstourismus immer näher, heißt es darin. Grund sei vor allem die Armut.

In Moldawien zum Beispiel ist die Hälfte der Bevölkerung arbeitslos, das durchschnittliche Monatseinkommen liegt bei umgerechnet rund 20 Euro. Hier verkaufen junge Menschen auf dem Land ihre Niere für bis zu 2500 Euro, während die Empfänger bis zu 200000 Euro zahlen. Vor allem Ärzte profitieren, die Organe in gut ausgestatteten Kliniken in der Türkei entnehmen. Aber auch in Bulgarien, Rumänien oder Italien betreiben dubiose Händler ihr Geschäft.

So hatten nationale Medien immer wieder Fälle von Organhandel dokumentiert: - Italienische Händler hatten 2001 einen Jungen aus Moldawien entführt, um seine Organe zum Verkauf anzubieten. Laut Polizei war das kein Einzelfall: Nach Berichten gibt es regelrechte Organ-Mafia, die direkt mit korrupten Ärzten zusammenarbeitet.

- In Tschechien sollen Mitarbeiter der Universitätsklinik in Brno Haut-Transplantate von Verstorbenen illegal in die Niederlande gebracht und dafür hohe Summen auf ihre Privatkonten erhalten haben.

- In Bulgarien hat ein Sofia vor zwei Jahren 20 Nieren verpflanzt, die aus dem Organhandel stammten. Die Kunden seien gut zahlende ausländische Patienten gewesen. Für eine Operation sollen sie rund 12000 Euro ausgegeben haben.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht beim Organhandel von einer hohen Dunkelziffer aus: Die meisten Fälle würden nicht gemeldet, weil sowohl Spender als auch Empfänger vom Geschäft profitieren. „Es wäre eine Aufgabe für Europol und die Europäische Kommission, dem Problem stärker auf den Grund zu gehen“, fordert der EU-Abgeordnete Liese. Die Rückverfolgbarkeit von Organen könnte zum Beispiel verpflichtend werden: Wo kommt zum Beispiel eine Niere her? In welchen Krankenhaus wurde sie entnommen? Auch über eine Angleichung des Strafmaßes auf EU-Ebene müsse diskutiert werden.

In Deutschland wird Organhandel übrigens mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Ein 19-Jähriger kam da vor vielen Jahren noch glimpflich davon: Er hatte seine Niere für 100000 Euro im Internet-Auktionshaus Ebay angeboten. Verurteilt wurde er zu hundert Stunden gemeinnütziger Arbeit.