Köln. In Köln, wo sonst, gründet sich der 1. Türkische Karnevalsverein Deutschlands. Jedenfalls behaupten das ein paar jecke junge Leute. Doch noch vor ihrer ersten Sitzung kommen Zweifel auf: Alles nur ein Karnevalsscherz?
„Noch lachen Sie”, sagt Davut Yilmaz, es klingt ein bisschen drohend unter seiner Pappnase: Will ihn etwa wer nicht ernstnehmen? Obwohl ja keiner behauptet, dass Karneval lustig sei. „Ein interessantes Fest”, findet Yilmaz.
Deshalb ist er an diesem Donnerstag zum Lachen in den Keller gegangen, den eines Kölner Hotels: „Helau” sagt er dort zu den Fotografen, obwohl das unterm Dom eigentlich „Alaaf” heißt und ein paar Journalisten noch viel lieber „Kölle Allah!” hören würden oder „Külle”. Aber „so absurd ist das alles gar nicht”, mahnt Davut Yilmaz: Er gründet hier den TKVD, den „1. Türkische Karnevalsverein Deutschlands”. Jedenfalls hat der Betriebswirt das so angekündigt und die Presseleute ein wenig warten lassen, weil er noch dekorieren musste: mit roten und weißen Luftschlangen, türkischen und deutschen Flaggen, Narrenkappen, die den Halbmond im Rot tragen, und sich selbst mit der Pappnase und einem Schal, „Funktionäre tragen immer Schal”.
"Für alle, die etwas gesitteter feiern wollen”
Auf dem Tisch stehen Teegläschen, Ayram und Wasser, das „Özkaynak” heißt, selbstverständlich gibt es hier kein Kölsch, denn das ist ja der Sinn der Sache: dass hier ein anderer Karneval gefeiert werden soll, bei dem Alkohol und, schlimmer noch, „Freizügigkeit nicht unabdinglich dazugehören”. Diese jungen Leute, 35 sind sie und keiner über 30 Jahre, behaupten, sie wollen die Party etwas „mäßigen”, eine Anlaufstelle sein „für alle, die etwas gesitteter feiern wollen”, aber jedenfalls endlich mitmachen, ohne „an den Po gefasst” zu werden, wie es etwa Melek passiert ist mit dem Kopftuch. Sie sagen, sie fühlten sich als Türken bislang „unterrepräsentiert, um nicht zu sagen ausgeschlossen”.
Aber nun wollen sie mit Macht einbrechen in die Bastion des Kölner Karnevals, mit einem Schlachtruf, den sie „noch erfinden” müssen, mit einem „Funken-Yasminchen” vielleicht und am besten sogar einem Dreigestirn. Weil es das aber nur einmal geben darf am Rhein, träumt Yilmaz nun von einer „Türkenquote”: Zehn Prozent Muslime sind sie unter Kölnern, also wollen sie alle zwei Jahre einen Türken im Dreigestirn oder besser gleich vier Sterne: „Prinz, Bauer, Jungfrau, Türke.”
Spätestens da regt sich Widerstand in der überfüllten Pressekonferenz; es gibt auch draußen bereits viele, die das alles für einen Scherz halten. Aber gar nicht lachen. Werfen diese jungen Türken den Multikulti-Debattierern etwa bloß Kamelle hin?
Prunkwagen mit Schnurrbart
Die Sache ist ernst, wiederholt Melek Cezmi standhaft (die außerdem unablässig betont, dass Türken Humor haben) und enthüllt den Prototyp eines Prunkwagens für den vielleicht übernächsten Rosenmontagszug: ein dicker BMW mit riesigem Schnurrbart, wo andere Autos die Stoßstange tragen. Außerdem werde man sich verkleiden, „als Deutsche”, erfindet Yilmaz spontan: „Wir machen uns einen Bauch aus Pappmaché und setzen uns eine Kartoffel auf. Passen Sie auf, hinter jedem zehnten Kostüm könnte ein Türke stecken!”
Freundin Cezmi erwähnt erneut, man trage als Türke durchaus Frohsinn im Herzen.
"Es geht darum, dass wir Spaß haben wollen"
Allerdings wäre der dem 1.TKVD fast vergangen, bevor er überhaupt damit anfing, „unsere Kultur an die Karnevalstradition anzuschließen”, wie es in einer Absichtserklärung steht. Denn rechtpolitisch Rechte sahen schon den Untergang des Abendlandes aufziehen, Tanzmariechen in Lang und damit das Ende allen Humors. Das Treffen im Keller wurde zur Geheimsache erklärt, der Erste Verein lernte seine erste Lektion: „Es gibt zwei Dinge, die man nicht angreifen darf. Religion und Karneval.” Dabei wolle man doch „niemanden verärgern”.
Bloß, glaubt Herr Yilmaz mit der Pappnase denn wirklich, diese verwegenen Ideen umsetzen zu können: Türkenquote, Mäßigung und den Wagen mit Bart? „Glaub ich nicht”, spricht er leichthin in die Kameras. „Es geht darum, dass wir Spaß haben wollen.”