Köln. Mehr Amerika gibt es in dieser Nacht nicht in NRW: Im Café Central in Köln machen die „Democrats Abroad“ durch, voller Hoffnung und Begeisterung. Selbst Republikaner feiern mit. Und alle werden sie auf das Genaueste beobachtet von einem Reporter-Pulk. DerWesten war dabei.

Wahlparty im „Café Central“ in Köln, der Raum schwimmt in Blau-Weiß-Rot. Barack Obama ist überall, auf jeden Fall auf allen T-Shirts. Und es sollen noch mehr werden, wenn es nach dem freundlichen Mann mit der riesigen Afro-Frisur geht. „Keiner ist neutral hier“, grinst er breit.

Polit-Gesänge mit viel gutem Willen

Obama-Shirts gehen gut an diesem Abend
Obama-Shirts gehen gut an diesem Abend

Die Band spielt auf. Die Musiker schauen ein wenig alternativ aus, und sie spielen nicht unbedingt schön. Aber macht nichts, der Inhalt stimmt: Ein bisschen Lagerfeuer-68er-Feeling.

Hinter seinem Bierglas hockt Danny. 22 ist er, studiert Bauingenieurwesen in den USA und macht derzeit ein Praktikum in Oberhausen. Danny ist ein Phänomen: Ein links wählender, Obama unterstützender – Republikaner. Republikaner? Immer noch? „Immer noch“, nickt er ernst. Denn, so erläutert er, die Republikaner haben die besseren Inhalte. Aber „leider immer Scheiß-Kandidaten.“

Letztes Mal hat er übrigens für Ralph Nader gestimmt. Linker als der kann man als US-Politiker kaum sein: aus Kalifornien und auch noch Grüner. Ist dann auch nichts geworden, trotz Dannys Stimme. Aber Bush, McCain, das sei doch alles nichts. „John McCain ist sehr schlimm. Sarah Palin ist noch viel schlimmer. Sie ist dumm.“

„Amerikas Gesicht und Stimme“

Politische Botschaft als
Politische Botschaft als "Fashion Statement"

Warum es Obama werden muss? „Er ist Amerikas Gesicht und Stimme.“ Amerikaner haben wenig Scheu vor Pathos, deshalb klingt es wie die natürlichste Sache der Welt. Welcher Deutsche könnte Ähnliches aufrichtig über einen seiner Volksvertreter sagen? Danny sagt, er stimme zwar nicht mit allem überein, was Obama sagt, nicht mit allen seinen Standpunkten. Aber wichtig sei doch: „We’re in this together.“ Obama bringe sie zusammen. Es gebe wichtigeres als politische Programme.

Übrigens hat Danny bei aller Partystimmung tief drinnen Angst. Angst, dass McCain doch gewinnt. Er erwartet, dass es so kommt, dass die Leute in der Wahlkabine anders stimmen, als sie in den Umfragen gesagt haben. Der Bradley-Effekt, nach einem schwarzen Politiker, dem das schon einmal passiert ist: Niederlage trotz großen Vorsprungs in den Umfragen.

„Lipstick on a pig-Quiz“

Im Kölner
Im Kölner "Central" feiern die Demokraten - und auch der eine oder andere Republikaner

Mitternacht ist längst vorbei, und so langsam kommt die Party in Fahrt. Ein Stand-Up-Comedian sorgt mit Wahlkampf-Scherzen für Laune („In Florida haben sie Mickey Mouse als Wähler registriert. Aber wen wundert’s? Wir hatten ja auch acht Jahre lang Goofy im Weißen Haus.“). Insiderwissen ist beim Quiz gefragt: Der viel sagende Titel: „Lipstick on a Pig – A 2008 Campaign Quiz“. Die Fragen drehen sich beispielsweise um Aussagen der Kandidaten während der TV-Duelle.

Es geht auf drei Uhr zu, und allmählich fällt ein klein wenig Spannung ab von Steve Nobles. Heute Abend, bevor er sich auf den Weg zur Party gemacht hat, hat er sein Flaggen-Shirt aus dem Schrank geholt. Ziemlich lange hat er das nicht angehabt, jetzt kann er sich wieder damit sehen lassen. Die Menschen in Europa erwärmen sich wieder für sein Land.

Steve und die Hinterwäldler

Steve sagt von sich: „Ich bin ungefähr der unamerikanischste Amerikaner, den man sich vorstellen kann.“ Obwohl - oder vielleicht weil - er aus Texas kommt. Die Familie lebt jetzt in Missouri, sein Vater ist Prediger in einem Dorf mit knapp 3.000 Einwohnern. Und dort gibt es sage und schreibe 23 Kirchen. „Hillbillies“, Hinterwäldler, nennt Steve die Leute im ländlichen Amerika. Er wohnt seit 27 Jahren in Deutschland, hatte schon einmal sein eigenes Kabarett-Programm und begleitet jetzt andere bei ihren Auftritten am Klavier.

Gute Nachrichten für die Obama-Anhänger
Gute Nachrichten für die Obama-Anhänger

Zurück nach Amerika will er nicht mehr, sein Deutsch ist nahezu lupenrein. Die Wahl hat er trotzdem verfolgt wie keine andere, weiß Details aus dem Wahlkampf und von seinen Protagonisten, die staunen lassen. „Wir sind hier nicht repräsentativ“, wiegelt er ab mit Blick in die Runde.

Als gegen halb drei Obama klar in Führung liegt, da jubelt der Raum und Steve mit. Warum das Interesse an dieser Abstimmung so groß ist? Da schaut er einen ganz verständnislos an: „Das erste Mal steht ein Schwarzer zur Wahl!“ Ein Mann, der Leute an die Urne bringt, die in ihrem ganzen Leben noch nicht gewählt haben. Ein Politiker, der ein ungeheures Interesse weckt, das es vorher so noch nie bei einer Wahl gegeben hat. Als die ersten Ergebnisse aus Texas auf CNN erscheinen, da liegt McCain nur knapp zwei Prozent vor Obama. Und das im konservativen Texas. Steve scheint Recht zu behalten.

Die Stimmung um halb fünf

Barack Obama holt einen Staat nach dem anderen. Die Partygäste indes werden weniger, das Verhältnis von Reportern zu Demokraten verschiebt sich langsam aber stetig in Richtung der ersteren. Gegen Mitternacht hieß es noch „Um vier, da werden wir mehr wissen.“ Um vier wissen ein wenig mehr, aber festlegen mag sich noch keiner. Zu groß ist die Angst, dass es geht wie bei der letzten Wahl. Zwar wird jeder Staat, den die Demokraten errungen haben, mit großem Applaus bejubelt – doch danach verfallen die Anwesenden wieder in banges Warten. „Nein, ich glaube erst, dass wir gewonnen haben, wenn McCain seine Niederlage offiziell eingesteht“, das sagen sie einhellig. „Zweimal haben wir gehofft, letztes Mal waren wir uns so sicher.“ Sie warten, sie warten übernächtigt und angespannt.

Heiteres immerhin liefert ein Mann in den besten Jahren, der beim Blick auf den Bildschirm sein Whiskyglas umklammert hält. Er schwärmt von den Schönheiten Floridas. „Die Küsten, wie in den Tropen. Wunderschön da. Außer, wenn gerade ein Hurrikane vorbeikommt. Dann ist es etwas windig."

Obama Sieger? Wirklich? Wirklich!

Um kurz nach fünf ruft CNN Barack Obama zum Sieger der US-Präsidentschaftswahlen 2008 aus. Es tobt, es braust, es jubelt. Sprechchöre, gereckte Fäuste, tanzende, sich umarmende Menschen. Steve hat trotzdem Angst.

Gebannt stehen sie vor dem Bildschirm. „Keiner geht, bevor McCain seine Niederlage eingesteht!“, gibt ein Mann in schwarzer Lederjacke die Losung aus, die begeistert aufgenommen wird. Und dann ist es soweit, McCain tritt vor die Kameras, vielleicht eine Viertelstunde, nachdem CNN Obama als Sieger ausgerufen hat. Er redet ziemlich viel über die Rassenfrage in seiner Abschiedsrede. Wie wunderbar es sei, dass dieses Land Schwarze anerkenne. Er erinnert auch an den Skandal, den es gegeben hat, als Präsident Roosevelt erstmals einen Schwarzen zum Dinner ins Weiße Haus lud. Sehr korrekt, das alles. Aber wenn man möchte, dann kann das auch „patronizing“ klingen, herablassend, bemutternd. Und genauso verstehen sie es hier. „Ach, darum geht es doch gar nicht!“, empört sich die Runde.

Kurz nach fünf: Vor Freude liegen sich die Obama-Fans in den Armen
Kurz nach fünf: Vor Freude liegen sich die Obama-Fans in den Armen

Endlich, endlich löst sich die Spannung. McCain wird noch einmal gründlich ausgebuht, einige winken ihm fröhlich zum Abschied. „Palin, du Dumme“, brüllt es glücklich-besoffen aus Richtung Theke, aber damit ist die Schnapsnase ziemlich alleine. Die Gäste liegen einander beglückt in den Armen, singen, wiegen sich, strahlen. „Sekt aufs Haus!“, verkündet der Vorsitzende Bill Purcell und die Thekenmannschaft erhält Applaus.

Obama vor den Kameras

Dann spricht Obama. „Wer sich jetzt noch fragt, ob unsere Demokratie noch lebt - heute Nacht ist unsere Antwort.“ Eine Frau schluchzt in der Menge. Der erfolgreiche Kandidat redet von der Einigung der Nation, der Überwindung aller gesellschaftlichen Schranken. „Der Wandel ist nach Amerika gekommen.“ Dann dankt er Ehefrau Michelle - "der nächsten First Lady" - und seiner Familie. „Yes, we can“, sagt Barack Obama. „Yes, we can“, wiederholt die Menge in Chicago. „Yes, we can“, fallen sie ein in Köln.

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