Essen. Die EU sagt Mikroplastik in Kosmetika den Kampf an. Das Verbot für losen Glitzer löst im Netz hitzige Debatten aus. Worum es wirklich geht.

Oh. My. God. Die TikTok- und Instagram-Gemeinde ist in Aufruhr, seit Influencerinnen und Influencer unter dem Hashtag „#Glitzerverbot“ Endzeitstimmung verbreiten. Sie fürchten das Aus beliebter Make-up-Produkte, nachdem vor einer Woche das EU-weite Verbot von losem Glitzer und Kosmetika mit Mikroperlen in Kraft getreten ist. Die EU-Verordnung ist Teil eines mehrstufigen Plans, Mikroplastik einzudämmen. In den sozialen Medien aber toben nun hitzige Debatten über Sinn und Unsinn der Verordnung. Worum geht es eigentlich?

Das neue Verkaufsverbot ist nicht die erste Verordnung, die Plastikprodukte ins Visier nimmt. Im Sommer 2021 machte die EU mit dem Verbot von Einwegplastik und Strohhalmen den Anfang, 2022 wurden dünne Kunststofftüten aus dem Verkehr gezogen. Das neue Verkaufsverbot seit dem 15. Oktober betrifft nun Produkte, „denen Mikroplastik absichtlich zugesetzt wurde und die bei der Verwendung dieses Mikroplastik freisetzen“, heißt es in der Erklärung der EU-Kommission. Als Mikroplastik werden Kunststoffteilchen kleiner als fünf Millimeter zusammengefasst, die industriell hergestellt, wasserunlöslich und biologisch nicht abbaubar sind.

Influencer Sam Dylan: „Noch schnell den Laden leergekauft“

Am stärksten betroffen sind die Kosmetik-Branche und Nagelstudios, die um Einnahmen bangen. Allerdings verstehen nicht alle, was die Verordnung im Detail vorschreibt: Das Mikroplastikverbot betrifft lediglich losen Glitzer (auch Glitter genannt), der zum Schminken benutzt wird, vor allem im Karneval zum Einsatz kommt. Bei TikTok zeigen Videos jedoch leergekaufte Regale von Lidschatten oder Glitzer-Highlightern, die das Verbot nicht betrifft.

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„Ich habe natürlich noch schnell einen kompletten Laden leer gekauft“, schreibt etwa der Reality-TV-Star und Influencer Sam Dylan seinen über 270.000 Followern bei Instagram. Botschaften wie diese erhalten jedoch auf kritische Kommentare mit dem Hinweis, dass Hamsterkäufe unnötig seien. Tatsächlich hat die EU-Kommission noch einmal klargestellt, dass die Verordnung keineswegs ein Glitzerverbot sei. Löse sich Glitter nicht ab, weil er integraler Bestandteil eines Produkts ist, darf er weiter verkauft werden. Somit fallen etwa Glitzer-Lidschatten oder Glitzer in Form eines gepressten Puders enthalten ist, nicht unter das Verbot.

Mikroplastikverbot der EU tritt in Stufen in Kraft

Seit dem 15. Oktober sind Mikroplastikperlen („Microbeads“) verboten, die bislang in Kosmetika wie Zahnpasta, Shampoo oder Duschgel als „Schleifmittel“ beigesetzt wurden, also etwa zum Peelen, Polieren oder Reinigen verwendet wurden. Für andere, nicht ausspülbare Kosmetika wie Cremes, Make-up, Mascara oder Lippenstift, die Mikroplastik enthalten, gelten zum Teil längere Übergangsfristen.

In diesen Stufen tritt das Mikroplastikverbot der EU in Kraft:

  • ab dem 17. Oktober 2027 für Shampoo oder Duschgel
  • ab dem 17. Oktober 2029 für Kosmetik, die auf der Haut/in den Haaren verbleibt wie Cremes oder Haargel
  • ab dem 17. Oktober 2035 für Lippenstifte, Nagellacke und für Make-up
  • ab dem 17. Oktober 2028 für Wasch-, Pflege- und Reinigungsmittel, auch für Wachse, Poliermittel und Lufterfrischer
  • ab dem 17. Oktober 2031 für Einstreugranulat für Kunstrasenplätze.

Quelle: EU-Kommission/Verbraucherzentrale NRW

Mikroplastik-Verbot: Loser Glitzer darf seit dem 15. Oktober nicht mehr in der EU vertrieben werden. Es gibt jedoch ökologische Alternativen.
Mikroplastik-Verbot: Loser Glitzer darf seit dem 15. Oktober nicht mehr in der EU vertrieben werden. Es gibt jedoch ökologische Alternativen. © Adobe Stock

Studien: Mikroplastik im Blut oder Muttermilch gefunden

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Mit dem Verbot von Produkten, die bewusst zugesetztes Mikroplastik enthalten, will die EU Umweltbelastungen und Gesundheitsrisiken verringern. Laut einer Studie des Fraunhofer Instituts UMSICHT gelangen in Deutschland jedes Jahr 330.000 Tonnen Mikroplastik in die Umwelt. Die Untersuchung hat 51 Mikroplastik-Quellen identifiziert. Der Abrieb von Reifen ist demnach der mit Abstand größte Verursacher von Mikroplastik, der Anteil der Kosmetika vergleichsweise gering. Dafür bergen Glitzer, Shampoos oder Cremes die Gefahr, dass das enthaltene Mikroplastik eher in den menschlichen Körper gelangt.

Forscher haben Mikroplastik immer wieder im menschlichen Körper nachweisen können – im Blut, Stuhl, in der Lunge, Plazenta oder in der Muttermilch. Als wichtigste Aufnahmewege gelten die Atmung in Innenräumen sowie die Nahrungsaufnahme. Stand des Wissens ist, dass von 10.000 Bestandteilen von Kunststoffprodukten 2400 als bedenklich gelten, da sie sich in Organismen ansammeln würden. Viele davon seien wenig erforscht.

Aber auch die Gesundheitsrisiken von Mikro- und den noch kleineren Nanoplastikpartikeln sind noch nicht gut verstanden. Offene Fragen sind etwa, ob sich aufgenommenes Mikroplastik in Organen ansammelt oder ausgeschieden wird. Auch weiß man bislang nicht, welche Kunststoffarten ab welcher Konzentration im menschlichen Körper gesundheitsschädlich sind.

Wie Sie Mikroplastik erkennen und vermeiden können

Die Smartphone-App ToxFoxApp.
Die Smartphone-App ToxFoxApp. © BUND

Viele Kosmetik-Hersteller haben auf das Mikroplastik-Problem reagiert und greifen auf alternative Inhaltsstoffe zurück. „Bioglitzer“ etwa ist plastikfrei und ökologisch abbaubar. Allerdings ist der Verkaufspreis deutlich höher. Wer im Supermarkt nachprüfen möchte, ob das angebotene Kosmetikprodukt Mikroplastik oder andere Kunststoffe enthält, dem empfiehlt die Verbraucherzentrale NRW die Smartphone-App „ToxFoxApp“ vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Für den Kosmetikcheck muss der Verbraucher mit seinem Handy den Barcode des Artikels einscannen. Im Gegenzug erhält er Informationen über möglicherweise enthaltenes Mikroplastik, Schad- oder Giftstoffe. Nach Angaben des BUND sind in der verknüpften Datenbank Informationen von über 80.000 Körperpflegeprodukte enthalten.

Greenpeace oder BUND bieten Produktlisten an

Wer bei Kosmetikartikeln nur auf die Liste der Inhaltsstoffe schaut, wird Mikroplastik schwer erkennen können. Stehen auf der Liste Abkürzungen wie PE, PP, PA oder PET, ist Mikroplastik mit Sicherheit enthalten. Auch Nylon-12, Ethylen-Vinylacetat-Copolymere (EVA), Acrylate Crosspolymer oder Acrylates Copolymer (AC) deutet auf Mikroplastik hin, erklärt die Verbraucherzentrale NRW. Greenpeace oder der BUND bieten kostenlose Produktlisten an.

Die Naturkosmetik-Siegel von Natrue (l.) und BDIH.
Die Naturkosmetik-Siegel von Natrue (l.) und BDIH. © Natrue/BDIH

Dies ist ein Artikel aus der Digitalen Sonntagszeitung. Die Digitale Sonntagszeitung ist für alle Zeitungsabonnenten kostenfrei. Hier können Sie sich freischalten lassen.Sie sind noch kein Abonnent? Hier geht es zu unseren Angeboten.

Viele Verbraucher bevorzugen Naturkosmetik, um Mikroplastik oder andere Problemstoffe zu vermeiden. In einem Naturkosmetik-Produkt dürfen Mikroplastik, Inhaltsstoffe auf Erdölbasis oder Silikone nicht enthalten sein. Verbraucher sollten beim Kauf auf die beiden wichtigsten Naturkosmetik-Label achten: das Siegel der Non-Profit-Organisation NATRUE und das DIH-Siegel vom Bundesverband der Industrie- und Handelsunternehmen.