Lange bestand die Hoffnung, der türkische Präsident Erdogan habe die Gefahr erkannt, die von den Banditen der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) ausgeht. Aber sie war trügerisch. Es wird immer klarer, dass Erdogan die Kurden in der Türkei und ihre Autonomiebestrebungen für eine größere Bedrohung hält als eine Nachbarschaft mit blutrünstigen selbsternannten Gotteskriegern. Eine Fehleinschätzung, die fatale Folgen für Erdogan, die Türkei und die ganze Region haben kann.
Der türkische Präsident ist im Begriff, eine historische Chance zu verspielen. Die Kurden brauchen Hilfe. Wie kann man glaubhafter machen, gemeinsam mit ihnen in einem Staat leben zu wollen und sie als gleichwertige Bürger zu akzeptieren, als durch Unterstützung, wenn sie sie am nötigsten haben? Doch die Türkei erlaubt ihnen nicht einmal Waffen, Munition und Lebensmittel über die Grenze zu bringen, um den Kämpfern, die Kobane verteidigen, zu helfen. Und sie verbietet dem Nato-Partner USA die Nutzung des Luftwaffenstützpunkts Incirlik. Der würde es den Amerikanern erlauben, Hubschrauber einzusetzen und intensiver gegen IS vorzugehen.
Niemand verlangt, dass die Türkei selbst aktiv ins Kriegsgeschehen eingreift. Aber dass es Erdogan den Kurden nicht gestattet, sich selbst zu verteidigen, könnte – neben dem Trauerspiel von Kobane – der Türkei einen neuen Bürgerkrieg bescheren. Gewinner gäbe es nur einen: die Mörderbande vom IS.