So einig waren sich London und Brüssel lange nicht mehr: Die Erleichterung über den Ausgang des Referendums in Schottland kommt von Herzen. Aber weder in London noch in Brüssel kann man sich leisten, das Thema abzuhaken.
Das Königreich muss föderaler werden. Die EU wird sich nicht damit begnügen können, dafür die Daumen zu drücken. Auf Rest-Europa kommen Aufgaben zu, denen es sich bislang nicht stellen mochte. Die schottischen Nationalisten haben eine breitere Volksbewegung in Gang gebracht als irgendein politisches Projekt in Europas jüngerer Vergangenheit.
Für die EU gilt: Nach dem Referendum ist vor der Volksbefragung. Im November wollen die Katalanen an den Urnen zu Protokoll geben, wie sie zur Unabhängigkeit stehen. Anders als London setzt die Regierung in Madrid auf eine Politik der harten Hand gegen die Autonomie-Bestrebungen. Abspaltung sei zulässig nur im Einverständnis beider Seiten, es sei denn, es liegt massive Unterdrückung vor.
Diese Position, so begründet sie juristisch ist, reicht politisch nicht. Die Katalanen werden fragen, warum ihnen eine Entscheidung vorenthalten werden soll, die den Schotten zugestanden wurde. Nun liegt in der Tat jeder Fall anders. Ob Schottland, Katalonien, Flandern, Südtirol, Korsika oder das Baskenland – jeweils sind die Rahmenbedingungen und Anspruchsgründe historisch, politisch, wirtschaftlich und kulturell unterschiedlich.
Das sollte die EU nicht hindern, sich mit dem beunruhigenden Phänomen Regionalismus zu befassen und dafür gemeinsame Prinzipien zu entwickeln. „Better together“ war das Motto der Kampagne für den Verbleib des Nordens im Königreich. Dass es „gemeinsam besser“ geht, ist weniger eine Tatsachenfeststellung als ein Versprechen. Es muss nun eingelöst werden. Den wackeren Schotten gebührt unser Dank, dass sie es auf die Tagesordnung gesetzt haben.