Die Lieferung von Waffen an die Kurden im Norden des Irak ist umstritten. Erstmals liefert die Bundesrepublik Kriegsgerät in ein Krisengebiet an einen nicht Verbündeten. Es ist ein riskanter Tabubruch.
Es ist ein geschichtsträchtiges Datum: Am Jahrestag des Überfalls von Nazi-Deutschland auf Polen, mit dem der Zweite Weltkrieg seinen Lauf nahm, wird heute der Bundestag über die umstrittene Lieferung von Waffen an die Kurden im Norden des Irak debattieren und abstimmen. Erstmals liefert die Bundesrepublik Kriegsgerät in ein Krisengebiet an einen nicht Verbündeten. Es ist ein riskanter Tabubruch.
Gleichzeitig dürften die Abgeordneten heute mit einem Ohr auf die aktuellen Nachrichten aus der Ost-Ukraine achten, wo sich der militärische Konflikt immer mehr zuspitzt. Es ist die Sorge darum, dass sich der Krieg an der ukrainisch-russischen Grenze zu einem Flächenbrand mit unkalkulierbaren Folgen auswachsen könnte. 75 Jahre nach den verhängnisvollen Schüssen auf der Westerplatte geht in Europa wieder Kriegsangst um.
Der Terror im Irak und der Militärkonflikt in der Ost-Ukraine – Berlin ist in beiden Fällen gefordert. In der Irak-Frage hat sich die Regierung für die Lieferung von Waffen an die Kurden und damit für eine aktive Rolle entschieden. In der Großen Koalition sind sie sich der damit verbundenen Risiken bewusst: Keiner kann ausschließen, dass die deutschen Waffen schon bald gegen die eigenen Verbündeten gerichtet werden. Doch ein Ausscheren aus der westlichen Allianz gegen die IS-Terroristen hätte Berlin isoliert.
Im Ukraine-Konflikt setzte der Westen lange auf das politische Geschick Angela Merkels als „Putin-Flüsterin“. Zahllose Telefonate führte die Kanzlerin seit dem Aufflackern der Krim-Krise mit dem Kreml-Chef. Doch der russische Präsident ließ sich bislang von der Deutschen nicht in seinem Konfrontationskurs beirren. Inzwischen hat Merkel eingesehen, dass ihr Einfluss auf Putin offenbar begrenzt ist. Ihre Vermittlerrolle gibt sie trotzdem nicht auf.
Die Bundesrepublik hat sich lange gegen eine gewichtigere Rolle in der Weltpolitik gewehrt – auch mit Verweis auf die deutsche Schuld im Zweiten Weltkrieg. Der Chor jener, die mehr Verantwortung für Deutschland forderten, war in den letzten Wochen vielstimmig: Gauck, Steinmeier, von der Leyen. Nun zeigt sich, wie unbequem diese Rolle ist.