Genug der Beschwichtigungen, genug der Floskeln. Die Bundesregierung hat gehandelt und den amerikanischen Top-Geheimdienstler ausgewiesen – spät, aber nicht zu spät. Nach sehr vielen Monaten des Lavierens haben die jüngsten Spionagefälle in Deutschland das Fass zum Überlaufen gebracht. Es war für die Bundesregierung die letzte Möglichkeit, sich im leidigen Spionagestreit einen Rest von Glaubwürdigkeit zu bewahren.

Klar ist, dass dieser bisher einmalige Affront, den man sonst nur aus der früheren Ost-West-Konfrontation oder gegenüber totalitären Staaten wie Nordkorea kannte, vor allem symbolischen Wert hat und das eigentliche Problem nicht lösen wird. Klar ist aber auch, dass die zum Teil hanebüchenen Aktivitäten der US-Spionage nicht länger toleriert werden durften. Insofern ist die Ausweisung die richtige Antwort.

Die Antworten auf die entscheidenden Fragen aber stehen noch aus: Besteht überhaupt die Chance, die Daten-Sammelwut der Amerikaner in Partnerstaaten zu stoppen, wenigstens massiv zu reduzieren? Und, sollte es diese Chance theoretisch geben: Wer wäre dann willens und in der Lage, den Agenten von CIA, NSA und den anderen US-Geheimdiensten den Riegel vorzuschieben? Präsident Obama jedenfalls will es offenbar nicht. Noch wahrscheinlicher: Er kann es nicht. Die Geheimdienste, seit dem Trauma des 11. September 2001 mit einer nahezu unbegrenzten Macht und zudem mit Etats in Milliardenhöhe ausgestattet, haben sich längst verselbstständigt. Obama sieht dem Treiben hilflos zu, versucht, den Schein zu wahren. Dabei ist er mit Blick auf die Spionage-Affären längst die lame duck, die lahme Ente, die er nie sein wollte.

Dies macht die Entwicklung im transatlantischen Verhältnis nicht leichter. Das Vertrauen ist gestört, zumal niemand weiß, in welchen Ämtern oder Ministerien mitgelesen und mitgehört wird. Das gilt im Übrigen auch für Agenten aus anderen Ländern, das gilt für die politische oder militärische Spionage ebenso wie für die Wirtschaftsspionage.

Aber das deutsch-amerikanische Verhältnis ist ein besonderes und muss es bleiben. Die US-Regierung ist jetzt am Zug.