Google muss unliebsame Links in seinen Suchergebnissen unter Umständen löschen. Der Europäische Gerichtshof hat nun einem Spanier Recht gegeben, der seine Privatsphäre verletzt sah. Gut so. Denn auch wenn sich nicht alle Spuren im Netz beseitigen lassen - die Menschen haben ein Recht auf Vergessen.
Je mehr wir – Nutzer, Betreiber, Regulierer – uns mit dem Internet befassen, desto deutlicher stellt sich heraus, dass die schlichten Weisheiten der Aufbruchsjahre nicht viel taugen.
Das gilt für die Heilsversprechen (Freiheit, Demokratie, Transparenz, Gleichberechtigung) wie für die Parolen der Kontrolleure. Zu letzteren gehört „das Recht auf Vergessen“. Es war das populäre Etikett, unter dem die EU-Justizkommissarin Viviane Reding 2012 ihr Konzept für einen umfassenden europäischen Datenschutz auf den Weg brachte.
Auch im weltweiten Netz, so die Maßgabe, solle der einzelne die Verfügungsgewalt über seine persönlichen Daten behalten. Das stieß auf massive Skepsis, ja Hohn. Nach dem Motto: Klingt gut, ist aber Quatsch, weil technisch nicht machbar. Die Linkerei funktioniere viel zu schnell.
Recht auf Vergessen
Das ist nicht falsch, nur übertrieben. Das jüngste Urteil des Europäischen Gerichts sorgt hier für eine begrüßenswerte Differenzierung: Auch wenn sich nicht alle Spuren beseitigen lassen und es ein umfassendes Recht auf Vergessen nicht geben wird, muss sich der Einzelne nicht gefallen lassen, dass aus dem Netz ein ewiges, für jedermann einsehbares Register seiner sämtlichen Sünden und Peinlichkeiten wird. Verjährung und Vorstrafen-Tilgung sind wichtige Rechtsstaat-Prinzipien. Sie sind auch im Netz beachtlich.
Wer speichern kann, der kann auch löschen, sagt Reding. Das mag naiv sein. Aber die Umkehr-Version: Wenn ich nicht alles löschen kann, muss ich gar nichts löschen, ist eine Frechheit. Oder, wie der Bundespräsident sagen würde: Freiheit im Netz – das kann auch der digitale Radiergummi sein.