Am Ende dieser Putin-Woche stehen auch beruhigende, sogar ermutigende Einsichten. Trotz seiner unbestreitbaren Interessengegensätze hat sich der Westen über die Krim-Krise nicht spalten lassen. Die Europäer, oft für schwach und uneinig gehalten, stehen bemerkenswert zusammen und reagieren beherzt: Sie halten der Ukraine die Tür in ihre Gemeinschaft auf. Und nichts deutet darauf hin, dass das in diesen Tagen viel bemühte 1914-Szenario Wirklichkeit werden könnte.
Europa und Russland erscheinen inzwischen deutlich als Parallel-Universen. Auf der einen Seite nationalistischer Furor, kombiniert mit militärisch ausgeführter Blut- und Boden-Politik, auf der anderen Seite ein System vernetzter und tief verflochtener Länder, allesamt demokratisch, freiheitlich, rechtsstaatlich organisiert und souverän genug, auf militärische Provokation zivil zu reagieren. Es ist noch nicht allzu lange her, da konnten die Amerikaner die Europäer in alt (die West-Mitglieder) und neu (der beigetretene Osten) spalten. Nichts ist mehr davon geblieben.
Stattdessen wächst im neu-europäischen Osten der Wohlstand. Die Ukrainer haben die geschichtliche Lektion begriffen. Als ihre pro-russische Regierung ihnen die Wohlstandsperspektive verweigerte, rebellierten sie auf dem Maidan. Womöglich werden die Krim-Russen ihr Ja zu Russland, dass ein Nein zu Europa ist, noch bitter bereuen, wenn sie in einer Dekade sehen, wie es in der Ukraine aufwärts geht.
Wer den 1914-er Vergleich bemüht, es für möglich hält, dass Europa in einen neuen Krieg stolpert wie damals in den Ersten Weltkrieg, verkennt die gewandelte Wirklichkeit. Damals dominierte Nationalismus in jedem Land, heute nur in Russland. Damals gab es kein Europa. Damals herrschte Kriegseuphorie, heute hat niemand Interesse an Krieg, auch Russland nicht.
Die große Entscheidung steht am Ende Russland bevor. Was will man sein: rückständig, arm, isoliert, laut und bedrohlich, oder so, wie Europa heute ist. So attraktiv, dass jeder diesen Lebensstil anstrebt, etwa Oligarchen aus Putin-Russland, die sich in London niederlassen, in Lech Ski laufen und in Düsseldorf fette Klunker für ihre Damen kaufen.