Aus Sigmar Gabriel ist inzwischen ein beachtlicher Zocker geworden, was für jemanden, der auch mal Pop-Beauftragter sein musste, eine beeindruckende Karriere ist. Seinen Machiavelli hat Gabriel bei Merkel gelernt. Inzwischen denkt auch er die Dinge von hinten.
Aus Sigmar Gabriel ist inzwischen ein beachtlicher Zocker geworden, was für jemanden, der auch mal Pop-Beauftragter sein musste, eine beeindruckende Karriere ist. Das mit dem Zocker ist keine Beleidigung, sondern Anerkennung. Folgende Stationen auf dem Weg ins Kanzleramt 2017 oder früher hat Gabriel schon gemeistert: Die krachende Wahlniederlage der SPD hat er überlebt, was an und für sich schon ein Kunststück war. Am Koalitionstisch hat er die tatsächliche Niederlage in einen gefühlten Sieg gedreht. Der eigenen Partei eröffnete er die Option auf eine Koalition mit der Linkspartei, was zwar auch ganz gewaltig in die Hose gehen kann, aber was soll man machen, wenn der eigene Verein von „Heulsusen“ (Steinbrück), der es fertig bringt, seinem erfolgreichsten Vertreter (Scholz) das mieseste Ergebnis zu bescheren, nun mal über 25 Prozent nicht hinaus kommt?
Seinen Machiavelli hat Gabriel bei Merkel gelernt. Inzwischen denkt auch er die Dinge von hinten. Der Union mitten in den Koalitionsverhandlungen mit der Linkspartei zu kommen, das ist so, „als ob ein Partner kurz vor der Hochzeit noch rasch eine Kontaktanzeige aufgibt“, stöhnte CDU-Vize Klöckner völlig zu Recht. Im richtigen Leben hätte die Braut ihren fremdgehwilligen Möchtegern-Partner postwendend rauswerfen müssen, aber in der Politik ist Treue was für die Naiven. Und so wettete der SPD-Vormann kühl darauf, dass die Union staatstragend sein würde wie immer. Er gewann, die Union sieht ohnmächtig, wütend und hilflos aus, kurzum: unsouverän. Ein bemerkenswerter Abstieg nach einer Beinahe-Allein-Mehrheit.
Gabriels Kalkül mit der Linkspartei sieht so aus: Gysis Truppe drohen schwere Zeiten. Wer, wie Gysi demnächst, Oppositionsführer ist, kann sich Clownereien nicht mehr leisten, muss ernsthafte Alternativen anbieten. Will sie tatsächlich regieren (was keineswegs ausgemacht ist), muss sich die Linke entradikalisieren. Bis dahin rückt Gabriel die SPD per Großer Koalition wieder in die Mitte, so dass demnächst einem Kanzlerkandidaten Gabriel eine stabile Mehrheit zur Verfügung stünde.
Alles in allem ein feiner Plan. Kann klappen. Muss aber nicht. Dann hätte Gabriel sich verzockt. Aber wie sollte er es sonst machen?