Brüssel. Was die EU in Sachen CO2-Limit für 2020 genau will, ist weiter unklar. Merkel verfolgt dabei die Linie: Weniger CO2 ist gut, solange es den Daimlers, BMWs, Audis und Porsches nicht wehtut.
Die Entgiftung von Autoabgasen hat sich zu einem besonders unerfreulichen Stück europäischer Gesetzgebung entwickelt, und Deutschland spielt dabei keine gute Rolle. Was die EU in Sachen CO2-Limit für 2020 genau will, ist weiter unklar. Ob sie überhaupt vor Ablauf der Legislatur im kommenden Mai eine Willensbildung hinbekommt, ebenso. Dabei geht es nicht um irgendeine Nebensächlichkeit. Es geht um ein Thema, das in mehrfacher Weise wichtig ist, auch den normalen Bürgern. Erstens weil die meisten Auto fahren, zweitens weil sie sich um Wachstum und Arbeitsplätze sorgen, und drittens weil ihnen sehr wohl daran liegt, dass Klima und Umwelt nach Kräften geschont werden.
Die daraus folgenden verschiedenen Gesichtspunkte sind, wieder einmal, nicht einfach auf einen Nenner zu bringen. Vor allem die Balance zwischen den Anliegen der deutschen Autobauer, die mit großen Modellen ihre besten Geschäfte machen, und denen der Umweltschützer ist heikel. Merkel verfolgt dabei die Linie: Weniger CO2 ist gut, solange es den Daimlers, BMWs, Audis und Porsches nicht wehtut. Was ihnen angeblich allzu weh tut, hat man in Berlin indes erst im zweiten Zugriff gemerkt: Nachdem die Unterhändler des Ministerrats, des Parlaments und der Kommission im Juni eine Einigung erzielt hatten, und zwar im Rahmen ihres jeweiligen Mandats – also eines Verhandlungsauftrags auch im Namen der Bundesregierung.
Erst als die Industrie massiv bei der Kanzlerin vorstellig wurde, machte die sich daran, den auf einmal unakzeptablen Deal noch zu stoppen, und sei es durch robust erzwungene Verzögerung. Das aber ist nicht mehr schlichte Interessenvertretung, wie sie von allen Mitgliedstaaten ständig betrieben wird. Es ist eine Demonstration überlegener Stärke. Denn die Mittel, die Berlin dabei einsetzt, stehen niemandem sonst zu Gebote. Der größte Mitgliedstaat, der die Schlüsselrolle spielt bei der Überwindung der Eurokrise, leistet sich Druckinstrumente, die keiner sonst sich leisten kann.
Zweierlei bleibt auf der Strecke: Die Glaubwürdigkeit des jetzt erneut und wider allen Augenschein von Umweltminister Altmaier unverdrossen erhobenen Anspruchs auf eine „Vorreiterrolle beim Umweltschutz“. Und die kluge Sorgfalt beim Umgang mit den kleineren Partnerstaaten. Diese Behutsamkeit war eine strategische Stärke des Europapolitikers Helmut Kohl. Niemand anderes als Angela Merkel warf dessen Nachfolger Gerhard Schröder seinerzeit vor, die alte Tugend sträflich zu vernachlässigen. Lang, lang ist’s her.