Der weltweite Terroralarm und die Schließung insbesondere US-amerikanischer Botschaften in zahlreichen Ländern kann auf vielerlei Weise gedeutet werden. Vielleicht drohten oder drohen mehr denn je tatsächlich mörderische Anschläge; obgleich es zumindest eigenartig anmutet, dass sich Terrorfürsten angeblich via Telefon darüber austauschen, als hätten sie noch nie etwas von den Überwachungsmöglichkeiten westlicher Geheimdienste gehört. Vielleicht soll der Alarm aber auch die Erregung über den NSA-Überwachungsskandal dämpfen und die umstrittenen Maßnahmen im Nachhinein legitimieren. Eines jedenfalls ist die weltweite Terrorwarnung sicher: eine Bankrotterklärung der bisherigen Antiterror-Politik der USA.

Das Terrornetzwerk El Kaida samt seiner dumpfen, menschenverachtenden Ideologie wurde immer wieder totgesagt. Es ist aber nicht tot. Es hat sich verändert, und es ist heute stärker als jemals zuvor. Als der damalige US-Präsident Bush den Krieg gegen den Terror nach dem 11. September 2001 ausrief, kämpften einige Hundert selbst ernannte Gotteskrieger unter dem schwarzen Banner. Heute sind es Zehntausende. Es spricht vieles dafür, dass El Kaida längst nicht mehr streng hierarchisch geführt wird. Die Filialen auf der arabischen Halbinsel, in der Sahelzone, auf dem Sinai, in Somalia, im Irak und Syrien agieren weitgehend autonom und verfolgen ihre eigene Agenda. Das macht sie nicht ungefährlicher. Im Gegenteil. Die Terroristen werden unberechenbarer.

El Kaida konnte sich ausbreiten, weil viele Fehler gemacht wurden. Etwa, weil der Krieg gegen den Irak das Machtgefüge im Nahen Osten nachhaltig verändert hat und das Land übereilt seinem Schicksal überlassen wurde. Dort, wo Regierungen schwach sind, nisten sich die Dschihadisten ein. Gleiches gilt für Libyen: Für die Zeit nach dem Sturz Gaddafis existierte kein Szenario zum Aufbau eines funktionierenden Staatsgebildes, die ganze Region wurde mit Waffen geflutet.

Ein Fehler ist auch der Drohnenkrieg in Somalia, Pakistan und im Jemen. Er mag kleine Erfolge bringen. Auf lange Sicht hat er aber fatale Auswirkungen: Er wird von den Terroristen propagandistisch ausgeschlachtet und führt ihnen ständig neue Rekruten zu. Ein Fehler ist nicht zuletzt die als Realpolitik verbrämte Nachsichtigkeit mit Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten – Ländern, aus denen Ölmillionen für die Finanzierung des sunnitischen Terrors fließen. Letzten Endes macht unser Geld unsere Feinde stark.