Vor einem Jahr wurde Hannelore Kraft im Landtag als Ministerpräsidentin wiedergewählt, seither spult Rot-Grün sein Pensum ab. Routine, der man besser nicht traut. Schon die Bundestagswahl kann vieles ändern.
Es herrscht Ruhe am Rhein: Regierungsalltag. Vor einem Jahr wurde Hannelore Kraft im Landtag als Ministerpräsidentin wiedergewählt – Chefin einer Koalition mit satter Mandatsmehrheit, die das grundnervöse Experiment der Minderheit auf ständiger Partnersuche ablöste. Seither spult Rot-Grün sein Pensum ab. Routine, der man besser nicht traut. Ein Ausblick.
Schon die Bundestagswahl kann vieles ändern: das Machtgefüge zwischen Berlin und Düsseldorf und damit das politische Tagesgeschäft in NRW. Denn kommt es zur Großen Koalition oder gar zu Schwarz-Grün, dürfte es auch in Düsseldorf mit der sorgsam gepflegten Harmonie vorbei sein. Dann werden Rote und Grüne verstärkt Politik für die eigene Farbe machen und sich auf Kosten des Partners zu profilieren suchen.
Zweitens: Reicht es nicht für Rot-Grün in Berlin, sind all die schönen Steuerpläne, die auch NRW neue Geldquellen erschließen sollen, nichts als Illusion. Verteilungskämpfe werden an Härte zunehmen. Proteste von Beamten gegen Nullrunden sind nur ein Vorspiel, zumal der Finanzminister zusätzliche Einnahmen auf der Bundesebene fest einkalkuliert – eine Rechnung, die dann nicht mehr aufgeht. Im Gegensatz zur Schuldenbremse: sie kommt auf jeden Fall.
Trügerisch kann – drittens – auch die Annahme sein, dass Kraft in Nordrhein-Westfalen bleibt. Es gibt keinen Automatismus. Scheitert Peer Steinbrück bei der Wahl im September, wird in der SPD die Debatte um den Kanzlerkandidaten für 2017 sehr bald angestoßen – und der Ruf nach der erfolgreichsten Frau in der Partei unüberhörbar. Schwer vorstellbar, dass sich Kraft dem auf Dauer entziehen könnte. Dabei sind die Folgen für die NRW-SPD, für Rot-Grün und die nächste Landtagswahl, die ebenfalls im Jahr 2017 stattfindet, heute noch gar nicht abzusehen. Fest steht nur, dass es turbulent wird – und mit der neuen Behäbigkeit am Rhein wohl bald vorbei ist.