Ein Leitartikel von Thomas Rünker
Der Zusammenhang zwischen dem Einkauf an der Obsttheke und der Sauberkeit der Weltmeere war bislang vermutlich vor allem Insidern bewusst. Doch es leuchtet ein: Wenn das dünne Gratis-Tütchen, in dem vielerorts Äpfel, Birnen & Co. verschwinden, nicht sauber recycelt oder verbrannt wird, ist die Chance groß, dass es irgendwann im Meer landet. Sicher, die deutschen Plastiktüten sind kein Schwergewicht der Müllproblematik in den Ozeanen, da läuft der Wertstoffkreislauf im Öko-Musterland Europas schon ziemlich rund.
Dennoch greift es zu kurz, wenn die Tüten-Gegner auf Länder mit deutlich geringer ausgeprägtem Recycling-Bewusstsein verwiesen werden. Plastikmüll ist ein globales Problem. Ähnlich wie beim Atomstrom hat sich auch diese Technologie verbreitet, bevor man eine gesicherte Wiederverwertung etabliert hat. Nun ist die Haltbarkeit von Plastik nicht mit nuklearen Halbwertzeiten vergleichbar – doch auch in einigen Hundert Jahren ihres Daseins richten die Kunststoffe im Ökosystem gewaltigen Schaden an. Vom Zahn der Zeit in winzigste Partikel geschreddert, drohen sie über Fische in den Nahrungskreislauf aufgenommen zu werden. Die Auswirkungen sind noch nicht erforscht – aber der Gedanke ist mehr als eklig.
Es ist frustrierend, dass das Problem mittlerweile derart gigantische Ausmaße angenommen hat, dass viele Vorschläge gleichsam sinnvoll wie hilflos wirken. Man darf gespannt sein, welche Strategien die Experten auf der Meeresmüll-Konferenz in Berlin präsentieren.
Und die Plastiktüten? Deren Zeit neigt sich dem Ende entgegen. International mehren sich die Verbote und Besteuerungen. Und längst gibt es bessere und ressourcenschonendere Werkstoffe als das Erdöl-basierte Plastik. Hier könnte Deutschland zu einem Innovationsführer werden und so der eigenen Wirtschaft und der Umwelt einen Dienst erweisen. Eine Bezahlpflicht für Tüten sollte diese Innovationskraft stärken, das Problembewusstsein beim Verbraucher schärfen und auch dem in punkto Tüten eher trägen Handel auf die Sprünge zu helfen. Bis dahin liegt es an jedem Kunden, an der Kasse oder der Obsttheke die richtige Entscheidung zu treffen.