Moralischer Hochmut ist fehl am Platz. Erst spät in den 60er-Jahren hat sich Deutschland mit seiner Vergangenheit intensiver befasst, hat die Jugend nach der Verantwortung der Väter gefragt. Bis dahin lebten viele von ihnen unbehelligt im Nachkriegsdeutschland und machten nicht selten Karriere.
In Polen verhinderte die kommunistische Diktatur eine offene, freie und wissenschaftlich fundierte Aufarbeitung der Vergangenheit. Im Osten lebten die Opfer – und das stimmt ja auch. Kein anderes Volk hat mehr gelitten unter der Naziherrschaft als die Polen, kein anderes Volk wurde durch den Krieg auch psychisch so zerrieben.
Zurück blieb eine gebrochene Gesellschaft, die alles andere als zuversichtlich in die Zukunft blicken durfte. Und dennoch: Polen ist die Nation, die in der Jerusalemer Gedenkstätte Jad Vashem die meisten „Gerechten unter den Völkern“ stellt.
Dass Filme und Bücher über die eigene Rolle während der Nazi-Herrschaft immer wieder für heftige Debatten in Polen sorgen, zeigt, dass dieses Thema der Debatte bedarf, dass es nach wie vor vielen auf den Nägeln brennt und keineswegs „aufgearbeitet“ ist. Diese regelmäßigen Störungen des Selbstverständnisses können den Beginn einer nüchternen Auseinandersetzung mit der Vergangenheit markieren. Dass die Polen dabei nicht ausgerechnet das Geschichtsbild jener übernehmen möchten, die sie damals unterdrückten, ist nur allzu verständlich.