Man könnte es sich einfach machen: Rainer Brüderles Bemerkung war geschmacklos. Sie im Abstand von einem Jahr zu skandalisieren, wirkt gerade im „Stern“, der sich kaum eine Chance entgehen lässt, seine Themen mit möglichst nackten Frauen zu bebildern, heuchlerisch. Und dass ausgerechnet dies eine Debatte über Sexismus entzündet, mutet absurd an. Aber nun haben wir sie. Weil es, wie Hunderttausende „Aufschrei“-Twitterer zeigen, ein Bedürfnis dafür gibt. Doch die Beiträge dort zeigen eben auch: Was manche empört, gilt anderen als Witz.

Frauen empfinden die gleiche Ansprache höchst unterschiedlich - je nach ihrer Persönlichkeit, je nach Situation und je nachdem, von wem sie kommt. Von schnuckeligen Typen lässt sich frau auch mal einen blöden Spruch gefallen. Nur halten sich oft die falschen Männer für attraktiv. Wie sich daran etwas ändern lässt? Sicher nicht mit festen Sprach- und Verhaltensregeln. Die würden dem Flirt, der auch im Beruf nicht verboten ist, Leichtigkeit, Spaß und Spontaneität austreiben. Die Begegnung von Männern und Frauen ist ein Spiel mit ungewissem Ausgang, und das Risiko, dabei nicht immer den richtigen Ton zu treffen, gehört dazu. Übrigens kann man sich auch als Mann bisweilen darüber wundern, mit welch dumpfen Methoden manche Kerle bei manchen Frauen Erfolg haben.

Auch wenn die Aufregung dem Anlass nicht angemessen ist: Falls die Debatte Frauen ermutigt, sich weniger gefallen zu lassen, falls sie Übergriffe, insbesondere, wenn sie verbunden sind mit einem Machtgefälle, stärker ächtet, wäre sie dennoch hilfreich. Sie sollte auch Männer, die sich selbst benehmen können, dazu bewegen, bei anderen nicht in falsch verstandener Kumpanei wegzuschauen, wenn es wirklich eklig wird.