Die Grünen im Südwesten haben Politik stets als die Kunst des Möglichen und weniger als Illusion des Wünschenswerten begriffen. Bei den Schaffern und Häuslebauern haben sie sich das Image einer fleißigen, pragmatischen Partei eingehandelt.
Als vor 33 Jahren Winfried Kretschmann und Fritz Kuhn den grünen Landesverband Baden-Württemberg gründeten, hätten sie nicht im Traum für möglich gehalten, was seit Sonntagabend Wirklichkeit ist: Kretschmann regiert als Ministerpräsident das Land, Kuhn demnächst als Oberbürgermeister die Landeshauptstadt. Im Landtag stellen die Grünen die zweitstärkste Fraktion, im Lande weitere Oberbürgermeister wichtiger Städte wie Freiburg und Tübingen.
Staunenswert an diesem stetigen politischen Erfolg ist vor allem, dass er sich im Ländle abspielt, dem von bodenständigem Realismus und Leistungsethik geprägten Südwesten der Republik. Und Wahlerfolge fahren die Grünen nicht nur in Universitätsstädten ein, sondern auch in Industrieregionen und sogar im ländlichen Raum. Zugute kommt ihnen neben dem passenden Personal vor allem, dass die Grünen sich im Südwesten von überschäumender Ideologie fernhalten und bei den Schaffern und Häuslebauern sich das Image einer fleißigen, pragmatischen Partei eingehandelt haben.
Es läge nahe, diesen Erfolg mit der Schwäche der politischen Gegner zu erklären: eine arrogante, machtsatte Union, eine sich selbst zerlegende FDP, eine von Personalquerelen geschwächte SPD. Doch das greift zu kurz: Die Grünen im Südwesten haben, das ist auch das Verdienst von bundesweit wirkenden Politikern wie Rezzo Schlauch, Reinhard Bütikofer und Cem Özdemir, Politik stets als die Kunst des Möglichen und weniger als Illusion des Wünschenswerten begriffen. Damit unterscheiden sie sich wesentlich von manchen Protagonisten auf der Bundesbühne, auch wenn die Claudia Roths und Jürgen Trittins sich gern auf dem Trittbrett dieses Erfolges durch die Straßen fahren lassen.