Der Nobelpreis für Medizin würdigt eine der erstaunlichsten Entdeckungen der vergangenen Jahrzehnte: Körperzellen lassen sich künstlich in ihren Urzustand zurückversetzen. Die Medizin weckte damit gewaltige Hoffnungen: Bislang unheilbare Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer, ja sogar Querschnittslähmungen, könnten bald geheilt werden. Und zugleich erzeugte sie eine große Furcht: Die Wissenschaft hebt den Embryo auf den Seziertisch, um daraus das benötigte Ersatzgewebe zu gewinnen. Ein unauflösbares Dilemma.

Heute ist klar: Die Jubelrufe der Forscher waren verfrüht – und wohl auch dem Konkurrenzdruck um Ruhm und Patente geschuldet. Bisher geht es um Grundlagenforschung, um das Verständnis der Funktionsweise der Zellen und ihre Reaktionen auf bestimmte Medikamente. Eine klinische Anwendung embryonaler Stammzellen oder ihrer „Schwestern“, der IPS-Zellen, ist bis auf einzelne spektakuläre Versuche absehbar nicht zu erwarten. Doch dubiose Mediziner machen die Hoffnungen schwer kranker Menschen zu Geld und bieten bereits heute gefährliche Stammzelltherapien an. Vor zwei Jahren starb ein zweijähriger Junge in einer Düsseldorfer Privatklinik, nachdem ihm Stammzellen ins Hirn gespritzt worden waren.

Trotz aller bisherigen Probleme eröffnet die Stammzellforschung der Medizin ganz neue Wege und Möglichkeiten. Geduld ist gefragt – und seriöse Forschung.