Es ist grotesk: Der Innenminister startet eine Aktion, um der Radikalisierung von Jugendlichen vorzubeugen, knickt aber just vor den radikalen Kräften ein und stellt die Kampagne aus Angst vor Anschlägen zurück. Hans-Peter Friedrich handelt zwar besonnen – Deeskalation ist das Gebot der Stunde –, aber viel zu spät. Die Aktion war von vornherein ein großes, ein kulturelles Missverständnis. Wer die Muslime für eine Sicherheitspartnerschaft gewinnen will, muss Sprache und Stilmittel so wählen, dass sie sich angesprochen fühlen. Stattdessen haben sie den Eindruck, dass es eine neue Disziplin geworden ist, sie mit Karikaturen, Plakaten, Videos oder Bildkollagen wie in der „Titanic“ zu provozieren. Für die Integration in Deutschland macht es keinen Unterschied, ob es so gewollt ist oder nicht. Auf die Wirkung kommt es an, und da sind diese Tage gerade ein herber Rückschlag, generell auch für den Dialog mit der islamischen Welt.
Hier geht es nicht im engeren Sinne um Politik. Die ist verstört, überfordert und hat vor allem ziemlich wenig gelernt aus der Islamkonferenz; sonst wüsste man besser, was man den Muslimen zumuten kann – und was nicht. Es ist in erster Linie ein kultureller Dissens. In großen Teilen Europas hat die Kirche an Autorität verloren. Satire darf alles, auch auf Kosten der Gläubigen. Und die Botschaft der Zeitschrift „Charlie Hebdo“ ist so falsch nicht. Sie zeigt einen Muslim im Rollstuhl und einen Juden – mit der Zeile, man dürfe sich über beide nicht lustig machen. Das Bild selber ist eine Anspielung auf den Film „ziemlich beste Freunde“, der Titel spiegelt den befangenen Umgang mit Juden wie mit den Muslimen wieder. Man weiß nicht, wie man mit ihnen umgehen soll.
Dabei liegt die Antwort in beiden Fällen nahe: mit Respekt. Satire, über die Muslime nicht lachen können, ist nur verletzend. Man sollte sie sein lassen. Das Cover von der „Titanic“ dient nur einem Zweck: ihrem Verkauf am Kiosk. Das ist legitim, aber der Zweck heiligt nicht die Mittel.