Wieder so ein Anlass, bei dem sich zunächst die Frage stellt: Wo bleibt das Positive? Der Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung liegt im Entwurf vor, und, ja doch, Positives findet sich sogar hier. Das Wohlstandsgefälle zwischen Osten und Westen ist über zwei Jahrzehnte nach der Einheit im Schwinden begriffen. Wenn das mal keine gute Nachricht ist.
Ob man es im Übrigen für eine halten soll, dass die Reichen weiterhin reicher werden, während der Staat allmählich verarmt, hängt wohl sehr davon ab, aus welchem gesellschaftlichen Blickwinkel man diesen Befund betrachtet. Wer selber zu den zehn Prozent der Bevölkerung zählt, in deren Hand sich mittlerweile mehr als die Hälfte des Reichtums ballt, wird damit womöglich wenig Probleme haben.
Genau das allerdings ist das Problem: Der soziale Zusammenhalt zerfällt, damit auch das Gespür für andere als die jeweils eigenen Interessen. Die „nivellierte Mittelschichtgesellschaft“ der Wirtschaftswunderjahre ist, wie der jüngste Bericht nur zum wiederholten Male zeigt, längst Vergangenheit.
Nichts Neues also? Etwas doch: Im Vergleich zu früheren Berichten zur Vermögenslage der Nation der vergangenen 20 Jahre trifft dieser auf ein deutlich verändertes gesellschaftliches Klima. Die Duldsamkeit gegenüber sozialer Ungleichheit hat abgenommen. Mindestlohn und Steuererhöhungen sind, außer in der FDP, mittlerweile parteiübergreifend salonfähig. Ob mit solchen Rezepten Entscheidendes zu bewirken wäre, darf man bezweifeln. Dass sich die Debattenlage verschoben hat, ist indes auch ein Erfolg der periodischen Armuts- und Reichtumsberichte. Steter Tropfen ...