Die politische Stimmung in Deutschland hatte auf die Wahlen in Bayern und Hessen starken Einfluss: Es war eine Abrechnung mit der Bundesregierung
Außenpolitische Krisen, Kriege, der Streit um die Migration, Angst vor dem wirtschaftlichen Abstieg und eine Bevölkerung, die nach der Hälfte der Legislaturperiode noch nie so unzufrieden mit einer Bundesregierung war wie mit der aktuellen Ampelkoalition: In dieser Stimmungslage gingen die Menschen in Bayern und Hessen zur Wahl und verpassten SPD, FDP und Grünen die erwarteten Ohrfeigen.
Ja, Landtagswahlen werden in der Regel durch die Themen und die Personen vor Ort geprägt. Die Ministerpräsidenten Boris Rhein (CDU) und Markus Söder (CSU) setzten sich mit ihren Parteien durch und wurden mit deutlicher Mehrheit bestätigt. Dennoch spielte die Bundespolitik angesichts der aktuellen Lage eine wichtige Rolle.
Man traut der Kanzlerpartei keine Problemlösungs-Kompetenz mehr zu
Die Sozialdemokraten erlebten ein Debakel und stecken in einer ernstzunehmenden Krise. In Bayern spielen sie zwar seit langem keine Rolle mehr, und auch in Hessen verlief der Niedergang in den vergangenen zwei Jahrzehnten kontinuierlich. Nach diesem historisch schlechten Ergebnis in Hessen, zumal mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser als Spitzenkandidatin, kann und darf die Partei jedoch auch im Bund nicht zur Tagesordnung übergehen. Der massive Vertrauensverlust hat damit zu tun, dass man der Kanzlerpartei derzeit nicht zutraut, Probleme nachhaltig zu lösen. Dies gilt insbesondere für das Thema Migration, das die SPD zu lange schönredete und dabei auch die Ängste vieler Menschen unterschätzte.
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Großer Verlierer ist zudem die FDP, die sich nach diesen existenzbedrohenden Ergebnissen erneut auf einen Selbstfindungskurs begeben dürfte und wieder einmal die Fragen beantworten muss, wofür sie steht und wofür man sie braucht. Den Wählerinnen und Wählern in Bayern und Hessen wurden diese Fragen offenbar nicht überzeugend beantwortet – und im Bund sind die aktuellen Umfragewerte ein ähnliches Desaster für die Liberalen.
Die Grünen: Im Arbeitsalltag der Koalition entzaubert
Auch die Grünen, ebenfalls Teil des Berliner Ampel-Dilemmas, befinden sich im Sinkflug. Sie haben sich in den vergangenen Jahren zwar ein recht stabiles Fundament in der Wählerschaft erarbeitet, darüber hinaus ist ihre Attraktivität für Wechselwähler aktuell aber gesunken. Der Arbeitsalltag hat sie mancherorts entzaubert. In Hessen dürften sie allerdings auch künftig der schwarz-grünen Landesregierung angehören. Immerhin. Ohnehin bleibt diese Zweierkoalition, die auch in Nordrhein-Westfallen recht geräuschlos funktioniert, eine Option für die Zukunft.
Aiwanger profitiert von der Opferinszenierung
Für Markus Söder war Schwarz-Grün in Bayern kein Thema. Im Gegenteil. Mit Vehemenz, zum Teil Aggressivität, führte er seinen Anti-Grünen-Wahlkampf und setzte in der Konsequenz allein auf die Freien Wähler, die deutlich gestär kt aus der Wahl hervorgingen. Deren Chef Hubert Aiwanger nutzte geschickt die in Teilen zu Recht kritisierte Verdachtsberichterstattung in Bayern über die „Flugblatt-Affäre“, um zusätzliche Wähler für sich zu mobilisieren. In seiner Opferrolle schaffte er eine Solidarisierung, von der er vorher nicht zu träumen gewagt hätte.
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Aiwanger und seine Freien Wähler gehören zu den Populisten, die von der aktuellen Unzufriedenheit profitieren. Zugleich distanziert er sich durchaus glaubhaft von der in Teilen rechtsextremistischen AfD, die mit ihren Wahlergebnissen zufrieden sein konnte, auch wenn sie angesichts der vorherigen Umfragen vielleicht noch mehr erwartet hatte. Viele Menschen scheinen ihren Protest derzeit eher in Umfragen als in letzter Konsequenz in den Wahlkabinen zu äußern. Dennoch ist es spätestens jetzt an der Zeit, dass Ampelkoalition und Union ihre Politik ernsthaft hinterfragen. Warnsignale gibt es wahrlich genug.
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