Im Fall der Missbrauchsvorwürfe gegen Kardinal Hengsbach tut sich ein Sumpf auf. Der amtierende Ruhrbischof Overbeck gerät in Erklärungsnot.
Seit Montag treffen sich die deutschen katholischen Bischöfe zu ihrer Herbstvollversammlung. Es geht laut Tagesordnung um die Lage in den Kriegs- und Krisengebieten in der Ukraine, Nicaragua und dem Niger und den deutschen Reformprozess. Auch die Aufarbeitung und Prävention sexualisierter Gewalt soll wohl eine Rolle spielen. In diesem Zusammenhang überholen die aktuellen Ereignisse gerade die katholischen Spitzenleute.
Dass Bischof Franz-Josef Overbeck die Missbrauchsvorwürfe gegen den lang so hochverehrten Kardinal Hengsbach vor einer Woche offenlegte, war ein aus Kirchensicht unfassbarer Vorgang. Jeder, der sich in der jüngeren Vergangenheit mit den verabscheuungswürdigen Verbrechen in Reihen der katholischen Kirche beschäftigt, ahnte: Da kommt noch mehr. Dass bislang nur vage von weiteren Meldungen im Zusammenhang mit dem Fall Hengsbach die Rede ist, lässt befürchten, dass sich da bald noch ein wahrer Sumpf auftun wird.
Ein Sumpf, der auch dem eigentlich auf der reformfreudigen Seite stehenden amtierenden Bischof Overbeck gefährlich werden könnte. Dessen am Sonntag verlesener Entschuldigungsbrief an die Ruhr-Katholiken ist ein Indiz dafür, dass bei ihm mehr vorliegt als schlechtes Gewissen: dass im Bistum mit Blick auf Hengsbach vielmehr viel zu lange geschwiegen und weggeschaut wurde; dass gerne der kategorischen Entscheidung aus Rom gefolgt wurde, den lange bekannten Vorwürfen nicht weiter nachzugehen. Und es ist schon einigermaßen befremdlich, dass die Forscher, die das Missbrauchsthema für das Bistum Essen untersuchten, nicht auf diese Spur gesetzt wurden, um letzte Zweifel zu beseitigen. Bischof Overbecks Aufruf an mögliche Opfer, sich gerade jetzt zu melden, ist das einzig Richtige, was er tun kann, um auch seinen Ruf zu retten. Den seiner Kirche rettet er damit nicht. Vielleicht solle die Bischofskonferenz ihre Tagesordnung ergänzen?