Essen. Die Steag ist froh, dass die Ruhrgebietskommunen endlich aussteigen. Doch unpolitisch wird sie damit nicht. Das verhindert die RAG-Stiftung.

Was dem Stromkonzern Steag in den vergangenen Jahren gar nicht gut getan hat: Zu viele Kommunen, zu viele Diskutanten in Rathäusern und Räten, kurzum: zu viel Politik. Das sagen die sechs Revierstädte, die den Konzern vor zehn Jahren zusammen gekauft haben, inzwischen selbst. So kurz vor dem Verkauf eine leidlich späte Erkenntnis, aber immerhin. Doch wenn die Steag-Manager gehofft haben, mit dem neuen Eigentümer ein unpolitisches Unternehmen zu werden, sehen sich getäuscht: Der illustre tschechische Milliardär Křetínský kommt nicht allein, sondern mit der RAG-Kohlestiftung.

Das mächtige Konstrukt soll die Ewigkeitskosten des 2018 beendeten Steinkohlenbergbaus mit klugen Investments erwirtschaften. Das hat bisher gut funktioniert. Der Griff nach Steag verdeutlicht nun aber mehr denn je, dass die Stiftung auch von politischen und nicht zuletzt gewerkschaftlichen Interessen geleitet wird.

Die IGBCE mit Michael Vassiliadis vorneweg will offenkundig nicht lassen vom Energiekonzern, der einst zur früheren Ruhrkohle gehörte. Ebenso wie der Chemiekonzern Evonik, dessen Mehrheitsaktionärin die RAG-Stiftung bis heute ist. Im Kuratorium der Stiftung sitzen mit Armin Laschet, NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (beide CDU), seiner Amtskollegin von der Saar: Anke Rehlinger (SPD), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) satzungsgemäß politische Schwergewichte der etablierten Parteien. Gegen ihren Willen könnte Stiftungschef Bernd Tönjes, früherer Bergmann und RAG-Chef, nicht beim Essener Kohleverstromer einsteigen.

Politik und Gewerkschaft möchten mit der Stiftung Einfluss behalten auf die Wirtschaft im Ruhrgebiet, insbesondere auf lange taumelnde Traditionskonzerne. So stieg die RAG-Stiftung mit ein im von Thyssenkrupp an Finanzinvestoren verkauften Aufzugsgeschäft. Nach ihr wurde gerufen, als die Steag kurz vor der Pleite stand. Und jetzt geht sie Křetínskýs EPH-Konzern zur Hand, mit dem die IGBCE schon nach der Übernahme ostdeutscher Braunkohlereviere ihre Erfahrungen gemacht hat.

Ob die Steag unter EPH schützender Hände bedarf, wird sich zeigen. Sie verdiente zuletzt Milliarden mit ihren Steinkohlekraftwerken, die nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine über Nacht wieder gefragt waren. Das gibt einen wichtigen Schub für den Umbau auch dieses Unternehmens zu einem grünen Energieunternehmen. Über kurz oder lang werden die Kohlekraftwerke wieder unrentabel und dann abgeschaltet. Křetínskýs Spezialität ist es, mit sterbenden Technologien noch so lange wie möglich so viel Geld wie möglich zu verdienen. Das kann helfen, die Grünwerdung der Steag anzuschieben – wenn das Geld eben dafür eingesetzt wird.

Wie einst die RAG hat sich auch die Steag bereits in einen schwarzen und einen weißen Teil gespalten. Letzterer heißt jetzt Iqony und bündelt alle Zukunftsgeschäfte wie Ökostrom und Fernwärme. Rein wirtschaftlich sprach einiges dafür, die beiden Teile getrennt voneinander zu verkaufen, weil Iqony ohne die Kohlekraftwerke für Investoren attraktiver zu sein schien. Nun werden die IGBCE und RAG-Stiftung darauf achten, dass der Konzern zusammenbleibt. Mindestens für die Steag-Beschäftigten ist das eine gute Nachricht. Ob ihr Unternehmen ein gutes Investment für die RAG-Stiftung wird, steht auf einem anderen Blatt.