Alles eine Frage der Erwartungen: Der Kohle-Kompromiss ist in der Substanz richtig, wird aber für Schwarz-Grün zur Hypothek.

Politik ist immer auch eine Frage des Erwartungsmanagements. Ergebnisse werden an vorherigen Zusagen, Ankündigungen oder auch nur Hoffnungen gemessen. So gesehen hat die Verständigung zwischen Bund, Land und RWE-Konzern über den geordneten Ausstieg aus der Kohleverstromung 2030 zwei Ebenen: eine faktische und eine gefühlte. Faktisch haben die Grünen-Minister Habeck und Neubaur mit Konzernchef Krebber einen sehr beachtlichen Kompromiss zum Wohle von Wirtschaft Umwelt erzielt. Trotz der gegenwärtigen Energiekrise kommt der Kohleausstieg acht Jahre früher als vorgesehen. 280 Millionen Tonnen Braunkohle bleiben in der Erde. Die Umsiedlung von Menschen im Rheinischen Revier wird endgültig beendet. Kurzfristig darf mehr Kohle verstromt werden, dafür sind mittelfristig hohe Investitionen in die Energiewende verabredet. Und im Kohleland a.D. auch nicht ganz unwichtig: Kein RWE-Mitarbeiter fällt ins Bergfreie.

Die gefühlte Bilanz ist jedoch eine völlig andere: Der schwarz-grünen Landesregierung steht ein heißer Herbst ins Haus, weil mit der Einigung zugleich das Schicksal von Lützerath besiegelt ist. Zahlreiche grüne Vorfeldorganisationen sind auf der Zinne. Neubaurs Glaubwürdigkeit wirkt angekratzt. Es rächt sich nun, dass Spitzenvertreter der NRW-Grünen lange vorgaben, das verwaiste Symboldorf der Klimaaktivisten retten zu können. Wer in Oppositionszeiten an der Abraumkante mitdemonstriert und sich in Greta Thunbergs Sonne auf der richtigen Seite der Geschichte wähnt, sollte wenige Monate später nicht mit allzu viel Verständnis für schnöden Regierungspragmatismus rechnen.