Polens Regierungschef fordert von Deutschland 1,3 Milliarden Euro Entschädigung für Nazi-Verbrechen. Doch die Sache ist, wie so vieles, komplex.

Wie soll man besonders jüngeren Menschen erklären, dass Polens Regierungschef Kaczynski 1,3 Billionen Euro als Entschädigung für die Verbrechen Nazi-Deutschlands während des Zweiten Weltkriegs verlangt? Die Summe erscheint so enorm hoch, dass der erste Reflex Ablehnung heißt. Doch eine brüske Zurückweisung der Forderung, wie die Boulevardpresse es fordert, ist bestimmt nicht der richtige Weg für eine dauerhafte Verständigung mit Polen. Die Sache ist – wie so vieles – komplex.

Als die Wehrmacht am 1. September 1939 Polen überfiel, begannen schon bald darauf Massenerschießungen, Plünderungen, Vergewaltigungen und Verfolgungen. Die Nazis betrachteten die Polen als „Untermenschen“, sahen sie als Sklaven oder Mordopfer. Besonders die jüdischen Polen.

Was es braucht, ist eine gemeinsame deutsch-polnische Stiftung

Weniger bekannt ist, dass 16 Tage später die Rote Armee das Land von der östlichen Seite her überfiel. Genau so war es im Pakt zwischen Hitler und Stalin abgemacht. Polen sollte von der Landkarte verschwinden, und deren Bewohner auch.

Diesen Teil der Geschichte verschweigt übrigens der russische Präsident Putin geflissentlich. Er lobt stattdessen Stalin als den wahren Sieger über Nazi-Deutschland. Dass dieser mit Hitler eine Zeit lang gemeinsame Sache machte, das unterschlägt der Mann im Kreml. Finanzielle Forderungen Polens an Russland könnten also ebenfalls durchaus erhoben werden.

Doch Geld allein heilt keine Wunden, die Kriege und grausame Menschen angerichtet haben. Wahr ist, dass Deutschland bereits viele Milliarden DM und Euro an Polen bezahlt hat. Eine gemeinsame, also deutsch-polnische Stiftung, die die Menschen, ihre Geschichte und vor allem ihre europäische Zukunft in den Blick nimmt, kam aber leider bis heute nicht zustande. Hier wäre jeder Euro gut angelegtes Geld.

Mehrheit der Polen betrachtet Deutschland als Freund und Partner

Doch an all das denkt der polnische Regierungschef unseligerweise nicht. Er will nur Punkte sammeln für seine stark angeschlagene PiS-Partei, und da passt der Hinweis auf die Nazi-Zeit ganz gut ins Konzept. Seit Jahren geht das schon so.

Zum Glück sehen das längst nicht alle Polinnen und Polen so. Die Mehrheit betrachtet Deutschland als Freund und als Partner. Besonders die Jungen wollen, dass beide Länder die Idee von Europa nach vorne bringen. Dazu gehören natürlich auch die Lehren aus der Geschichte. Sie sind angesichts des Ukraine-Krieges hochaktuell.