Das Bundesverfassungsgericht hat geurteilt: Die Masernimpfpflicht für Kinder ist rechtmäßig. Dies ist nicht genauso auf Corona übertragbar.
Kinder müssen gegen Masern geimpft werden. Das ist die Kernbotschaft, die die Karlsruher Richter mit ihrer Entscheidung an diesem Donnerstag gefällt haben. Gewiss, jede Impfung ist ein individuelles, aber minimales Risiko. Aber jede Impfung ist auch ein Stück mehr Sicherheit für die Gesundheit aller. Auch, wenn dafür der Staat in diesem Falle in das Erziehungsrecht der Eltern eingreift und die Impfung indirekt erzwingt. Denn er muss das Gemeinwohl im Blick halten.
Eine hohe Masernimpfquote bei den Kindern ermöglicht nicht nur deren Schutz vor einer potenziell gefährlichen und manchmal tödlich verlaufenden Erkrankung, sondern mittelfristig sogar die Ausrottung der Krankheit so wie es mit den Pocken gelang. Dann wären irgendwann alle geschützt – sogar ohne Impfung.
Stellt sich die Frage, welche Auswirkungen dieses Urteil auch auf die Frage der Corona-Impfpflicht hat. Bislang haben die Richter entschieden, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht angeordnet werden durfte. Das Problem allerdings ist hier: Weil Kliniken und Pflegeheime so unter der Personalnot ächzen, dass sie de facto erpressbar sind, können sie bislang meist nur an die Einsicht ihrer Mitarbeitenden appelliert werden.
Bei Corona ist eher die jährliche Grippeimpfung der Vergleichsmaßstab
Und: die Risikobewertung bei der Corona-Impfung sieht sowohl wissenschaftlich wie auch individuell anders aus: Es sind neuartige Impfstoffe, über Risiken und Nebenwirkungen über die im Einzelfall schon durchaus beachtlichen Impfreaktionen hinaus, ist noch wenig bekannt. Sicher ist allerdings seit Freigabe der Impfstoffe auch: Ihr Nutzen überwiegt, das Risiko einer schweren Erkrankung aufgrund einer Corona-Infektion ist weitaus höher als das Risiko der Impfreaktion oder langfristiger Nebenwirkungen.
Doch man muss auch ins Kalkül ziehen: Während die Masernimpfung spätestens nach dem zweiten Piks langfristig – meist ein Leben lang – schützt, erleben wir bei dem stetig mutierenden Corona-Virus, dass immer wieder immer neue Impfungen erforderlich sind. Es zeichnet sich die Tendenz ab, dass Corona sich ähnlich entwickeln wird wie die Grippe: Gefährlich für Immungeschwächte, Alte und Kranke – und immer wiederkehrend. Aus guten Gründen ist die jährliche Grippeschutzimpfung daher zwar empfohlen, aber keine Pflicht.
Auch bei Entscheidungen zur Impfpflicht, egal auf welcher Ebene, ist daher auch dem Gesetzgeber und den Gerichten nahezulegen, individuell und mit Blick auf die jeweilige Entwicklung der Krankheits- und Impfrisiken zu entscheiden und jeweils einen Weg zwischen der Entscheidungsfreiheit des Einzelnen und dem Wohl der Gemeinschaft zu finden.