Versöhnungsprojekt? Strategische Blaupause für einen Kanzler Wüst? CDU und Grüne täten gut daran, kleinere Brötchen zu backen.

Erstmals eine schwarz-grüne Landesregierung in Nordrhein-Westfalen? Das klingt experimenteller als es ist. Schon seit mehr als 25 Jahren arbeiten schließlich CDU und Grüne in zahlreichen Stadtparlamenten zusammen. Mal besser und mal schlechter, aber das Aushandeln von Kompromissen ist längst eingeübt. Das Betonen von weltanschaulichen Kluften zwischen beiden Parteien verkümmert deshalb zur politischen Folklore. Die Grünen verkörpern mit dem Klimaschutz das Megathema unserer Zeit und sind längst Lifestyle einer urbanen, akademischen, wohlhabenden, diversen und toleranten Gesellschaftsschicht. Die CDU vertritt eine ältere, wertkonservative, eher ländlich und christlich geprägte Bevölkerungsmehrheit, die sich aber längst nicht mehr dem ökologisch-sozialen Fortschrittsgedanken verschließt.

Kein Wunder also, dass Strategen beider Parteien bereits ein schwarz-grünes „Versöhnungsprojekt“ mit Perspektive für den Bund feiern. Mit NRW und Schleswig-Holstein wären schließlich rund 40 Millionen Deutsche in den Ländern schwarz-grün regiert. Mancher in Düsseldorf scheint für Ministerpräsident Wüst schon die nächste „Mission Kanzleramt“ zu planen, nachdem die Laschet-Kampagne so jäh an die Wand gefahren wurde. Genau in solcher Selbstbesoffenheit liegt die eigentliche Gefahr für Schwarz-Grün in NRW. Beide Partner sind gewählt, um drei, vier sehr konkrete, zentrale Zukunftsthemen zu verabreden, die genau dieses Bündnis rechtfertigen. Nicht mehr, aber bitte auch nicht weniger. Die Grünen haben mit 18,2 Prozent einen historisch hohen Vertrauensvorschuss bekommen. Wie schnell so etwas zerrinnt, lässt sich an der maladen FDP bestaunen – die schien im September nach der Bundestagswahl auch vor Kraft kaum laufen zu können.