Der Wahlsieg von CDU und Grünen verstellt den Blick auf das beängstigende Heer der Nichtwähler, das offenbar fertig ist mit Politik.
Die selbsternannte „NRW-Koalition“ ist Geschichte. CDU und FDP, die gemeinsam eine landespolitische Ära prägen wollten, müssen sich schon nach einer Legislaturperiode mit einigen Misstönen voneinander verabschieden. Diese Landtagswahl hat zugleich ein jahrzehntelanges Lagerdenken in Nordrhein-Westfalen aufgebrochen. Schwarz-Gelb gegen Rot-Grün lautete seit 1995 die immergleiche Schlachtordnung in Düsseldorf. Nun werden wohl CDU und Grüne gemeinsam regieren und SPD und FDP eine sozialliberale Opposition im Landtag bilden. Dieses Durchbrechen von Milieugrenzen muss für das Land nicht schlecht sein, denn gerade die energie- und klimapolitische Herkulesaufgabe verlangt maximale gedankliche Beweglichkeit.
Sorgen bereitet vielmehr die große Gruppe derer, die sich offenbar gar nicht mehr vertreten fühlt: Die Wahlbeteiligung in einkommensschwächeren Vierteln bewegt sich auf einem alarmierend niedrigen Niveau. Während die CDU ihre Stammwählerschaft in der Generation Ü60 mit Berechenbarkeit der Marke Wüst wieder mobilisieren konnte und die Grünen ohnehin bei den Jungen und gut verdienenden Großstadt-Akademikern eine Macht sind, hat sich fast jeder Zweite komplett von der Politik verabschiedet. „Respekt“, das Zauberwort der Kampagne von SPD-Kanzler Scholz aus dem vergangenen Jahr, wirkt auf zu viele bereits wieder wie ein hohler Begriff.
Das ist gesellschaftlicher Sprengstoff und könnte amerikanische Verhältnisse an Rhein und Ruhr verheißen, selbst wenn zurzeit gottlob nicht einmal mehr die AfD den Frust der Vergessenen nennenswert zu kanalisieren vermag. Ministerpräsident Wüst, der im Wahlkampf Zusammenhalt predigte, wird dieses Heer der Nicht-Wähler nicht ignorieren können. Selbst wenn die neue schwarz-grüne Bürgerlichkeit in NRW eigentlich eine ganz andere Wirklichkeit ist.