Corona-Manager, Ampel-Kritiker, FDP-Besänftiger: Der neue NRW-Ministerpräsident kämpft an vielen Fronten - gar nicht so schlecht.

Er gehöre in der Corona-Bekämpfung weder zum „Team Vorsicht“ noch zum „Team Locker“, sondern zum „Team Voraussicht“, hat der neue Ministerpräsident Hendrik Wüst gesagt. Das ist in einer Pandemie, die permanentes Nachsteuern und Umdenken erfordert, ein großer Anspruch. Auch wenn Fehleinschätzungen zurzeit zwangsläufig zum Berufsrisiko eines Regierungschefs gehören, zeigt Wüst doch allmählich Trittsicherheit. Er bemüht sich zumindest erkennbar um drei Dinge, die bislang nicht gerade zum NRW-Markenzeichen gehörten: innere Logik der Corona-Maßnahmen, ruhigen Kommunikationsstil und mehr Weitblick.

Dass Geboosterte demnächst ohne Test beim Bier in der Kneipe sitzen sollten, nicht aber auf Abstand in der Tennishalle spielen – gut, dass Wüst solchen Unsinn abschafft. Weitergehende Lockerungswünsche der FDP im Handel indes mögen zwar begründbar sein, bleiben aber angesichts explodierender Infektionszahlen kaum vermittelbar. Diese Diskussion wird sich Wüst nicht antun. Sein Herumreiten auf der allgemeinen Impfpflicht fällt derweil in die Kategorie Voraussicht: Gerade weil dieses Gesetzgebungsverfahren so kompliziert ist, muss es endlich angegangen werden.

Es ist für den Ministerpräsidenten gerade einmal zweieinhalb Monate nach Amtsantritt nicht leicht, unter den Unsicherheitsbedingungen der Corona-Pandemie als Krisenmanager, Landesvater und Oppositionsführer gegen die Ampel-Bundesregierung aufzutreten. Zumal Wüst immer die Befindlichkeiten des Koalitionspartners FDP im Blick behalten muss. Die vergangenen Tage haben jedoch eine Vorstellung davon gegeben, dass man ihn nicht zu früh abschreiben sollte.