Essen. Die neue Bundesregierung startet im Krisenmodus und mit enormen Herausforderungen. Ist das Ampelbündnis auch eine mögliche Option für NRW?

Nach 16 Jahren der unionsgeführten Bundesregierung beginnt in Deutschland eine politische Zeitenwende. Die Ära Merkel ist beendet, erstmals trägt ein Dreierbündnis die Verantwortung. Mit Olaf Scholz zieht ein Mann ins Kanzleramt, der – wie seine Vorgängerin – für Verlässlichkeit, Berechenbarkeit und Seriosität steht.

Von einem bestellten Feld, das der Ampelkoalition übergeben wird, kann aber beileibe nicht die Rede sein. Und wie lange die Aufbruchstimmung und der Burgfrieden halten, mag keiner voraussagen. Die Krisen und Herausforderungen sind enorm, darüber wurde oft geschrieben und gesprochen. Über allem schwebt die Corona-Pandemie, die für viele Bereiche der Wirtschaft zu einer ernsthaften Bedrohung geworden ist und große Teile der Gesellschaft lähmt, weil sie schon vor vielen Monaten in jede Familie, in jedes Haus, in jede Wohnung eindrang und seitdem den Alltag bestimmt. Und bei der es um Leben und Tod geht.

Ein überbürokratisiertes, zögerliches Weiter-so-Gewürge darf es nicht geben

Entsprechend gedrückt ist die Stimmung und wird zudem belastet von dem kollektiven Gefühl, dass dieses Land, das stets zu den Konstanten in einer unruhigen Welt gehörte und weiterhin gehört, einer historischen Herausforderung wie der Pandemie politisch nicht gewachsen ist. Hierin liegen Chance und Gefahr für die neue Bundesregierung. Ein überbürokratisiertes, zögerliches Weiter-so-Gewürge darf es nicht geben; es würde der Koalition schnell erheblichen Schaden zufügen.

Hier muss die Ampel den Schwung nutzen und sofort Impulse setzen. Allein die Tatsache, dass ein eckiger, manchmal nerviger und dauer-präsenter Karl Lauterbach als neuer Gesundheitsminister von vielen Menschen wie ein Messias herbeigesehnt wurde, macht deutlich, wie groß die Sehnsucht nach Fachkompetenz und zugleich klarer Kante ist. Und das Beispiel zeigt, wie schwach Jens Spahn dieses Amt ausfüllte. Kompetenz muss kein Hinderungsgrund sein, heißt es jetzt – ironisch und richtig zugleich. Doch auch ein Minister Lauterbach muss sich erst noch beweisen.

Ampel-Regierung wird aus dem In- und Ausland mit hohen Erwartungen überzogen

Das gilt natürlich für die gesamte Ampel-Regierung, die aus dem In- und Ausland mit hohen Erwartungen überzogen wird, vor allem aber aus Nordrhein-Westfalen besonders akribisch beäugt werden dürfte. Bereits in den nächsten Wochen wird sich nämlich zeigen, wie sich das Miteinander von SPD, FDP und Grünen inhaltlich und atmosphärisch entwickelt. Die Koalitionsverhandlungen liefen in Berlin nach außen hin reibungslos und professionell, doch was passiert im rauen Wind des Alltags?

Aus NRW-Sicht stellen sich mit Blick auf die Landtagswahl in fünf Monaten gleich mehrere Fragen: Sollte es zu einem Machtwechsel in Düsseldorf kommen können (worauf derzeit einiges hindeutet), wäre die Ampelkoalition eine ernsthafte Option? SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty als Ministerpräsident an der Spitze eines solchen Bündnisses?

Neue Regierung könnte Lackmustest für die künftige NRW-Landesregierung sein

Die Arbeit der Bundesregierung als Lackmustest für die künftige NRW-Landesregierung? In der Vergangenheit fanden solche Testläufe in der Regel erst auf Landesebene statt, aber das muss nichts heißen. Je besser die Parteispitzen im Bund miteinander klarkommen, desto größer wird der Druck auf den amtierenden Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und seine NRW-CDU.

Zunächst gilt die Aufmerksamkeit aber der Bundesregierung. Der Tag der Ernennung und Vereidigung war der Tag des neuen Bundeskanzlers und seines neuen Kabinetts. Ein wichtiger, ein würdiger Tag. Und jetzt beginnt die Arbeit.