Essen. Im Tarifstreit des öffentlichen Dienstes der Länder verhält sich die Arbeitgeberseite beschämend - und die Gewerkschaft unverantwortlich.
Säbelrasseln gehört zu den geübten Ritualen von Tarifauseinandersetzungen. Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmer pokern am Anfang hoch, um Kompromisse als Erfolg für die eigene Klientel zu verkaufen. Auf dem vorläufigen Höhepunkt der Corona-Pandemie wirkt dieses Kräftemessen aber verstörend und völlig fehl am Platz. Zumal es im schwelenden Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes auch um Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen geht.
Es ist beschämend, dass die Tarifgemeinschaft deutscher Länder nach Wochen noch immer kein Angebot auf den Tisch gelegt hat und sich vor Gesprächen drückt. Dabei wissen die Landesregierungen nur zu gut, dass medizinisches und Pflege-Personal hoffnungslos unterbezahlt ist und gerade während der Pandemie am Limit und darüber hinaus arbeitet.
Unverantwortlich ist aber auch die Antwort der Gewerkschaften auf die Blockadehaltung der Arbeitgeber. Warnstreiks sind unangebracht, wenn in den Kliniken Menschen mit dem Tod ringen und Operationen wegen der dramatischen Covid-19-Lage ohnehin verschoben werden müssen.
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Das Streikrecht ist ein hohes Gut. Es einzuschränken, verbietet sich. Den Verantwortlichen bei Verdi und in den Ländern darf aber sehr wohl die Frage gestellt werden, warum sie sich nicht am Beispiel des Einzelhandels orientieren. Nach Wochen ergebnisloser Gespräche haben Handelskonzerne wie Rewe oder Lidl eine Tariferhöhung vorweggenommen.
Diese Geste sei auch den Ländern empfohlen. Tarifverhandlungen können auch noch im Frühjahr geführt werden, wenn sich die Corona-Lage hoffentlich entspannt.
» Lesen Sie hier den Pro-Kommentar von Stephanie Weltmann: Krisenzeiten klammern das Streikrecht nicht aus