Düsseldorf. Der Machtwechsel in NRW kommt für die CDU in einer extrem schwierigen Phase. Der Laschet-Nachfolger übernimmt kein bestelltes Haus.

Als zum letzten Mal in Nordrhein-Westfalen ein Ministerpräsidenten-Wechsel in der laufenden Legislaturperiode vollzogen wurde, sollte der Neue ausdrücklich „kein Lückenkandidat mit Verfallsdatum sein“. Peer Steinbrück, damals NRW-Finanzminister mit Hamburger Wurzeln und hanseatischer Kodderschnauze, übernahm 2002 die Staatskanzlei von Wolfgang Clement keineswegs als SPD-Wunschlösung. Doch mit seinem Landtagsmandat und seiner Regierungserfahrung drängte er sich halt auf, die rote Herzkammer zu sichern. Drei Jahre, eine Agenda-Reform und viele rot-grüne Koalitionsstreitigkeiten später war Steinbrück in NRW schon wieder Geschichte.

Wenn Steinbrücks Mission seinerzeit schwierig war, wartet auf Hendrik Wüst eine Art Himmelfahrtskommando. Der NRW-Verkehrsminister soll in nur gut sieben Monaten für die CDU die Macht in Düsseldorf verteidigen. Der 46-jährige Münsterländer kommt vor allem deshalb als Nachfolger Armin Laschets zum Zuge, weil er Landtagsabgeordneter ist. Die Landesverfassung macht das Mandat zur Voraussetzung für die Wahl zum Ministerpräsidenten. Natürlich ist Wüst auch regierungserfahren, smart und bestens vernetzt in der Partei. Dass ihm jedoch die Herzen in der NRW-CDU zufliegen, würde er nicht einmal selbst behaupten.

Bekommt die NRW-CDU ihr Intrigen-Potenzial in den Griff?

Auf Wüst wartet viel Arbeit nach innen und außen. Wenn der größte Landesverband der CDU sein berüchtigtes Intrigen-Potenzial wieder ausleben sollte und die neue Nummer eins nicht uneingeschränkt unterstützt, wird die Wahl im Mai zum nächsten Debakel für die Union. Zur ersten Nagelprobe für die Geschlossenheit dürfte der Landesparteitag Ende Oktober geraten. Was im allgemeinen Laschet-Bashing aktuell gerne vergessen wird: Er konnte 2017 die Staatskanzlei auch deshalb erobern, weil er die schwierige NRW-CDU über Jahre mit sich selbst versöhnt hatte. Laschet war sich für keine Jubilar-Ehrung zu schade und nie zu stolz, eigenwillige Parteifreunde wie Merz, Bosbach & Co. einzubinden.

Wüst muss sich nun im Zeitraffer bundesweit bekannt machen und sein Profil als moderner Konservativer schärfen. Alle Wahlen der jüngeren Vergangenheit haben gezeigt, wie wichtig in der Landespolitik der Faktor Landesvater/Landesmutter ist. Wüst gilt als kluger Stratege und strukturierter Arbeiter, aber weniger als leutseliger Umarmer. Er ist wohl mehr Landesmanager als Landesvater.

Thema, Profilierung, Kampagne - Wüst steht von Tag eins unter Druck

Die Rahmenbedingungen für einen Turbostart in der Staatskanzlei sind denkbar ungünstig. Die Union wirkt seit der Bundestagswahl wie ein politischer Insolvenzfall. Die Autorität des gescheiterten Kanzlerkandidaten und Parteichefs Laschet ist nur noch in Spurenelementen erkennbar. Eine Ampel-Regierung im Bund könnte überdies im Super-Wahljahr 2022 die Bündnisfantasien in den Ländern neu beflügeln. In NRW ist die schwarz-gelbe Koalition seit den Wirren der Corona-Pandemie ohnehin ziemlich unpopulär.

Für eine Trendwende müsste die NRW-CDU zunächst mal wieder sagen können, warum man sie überhaupt wählen soll. Nur auf die frühe Entzauberung eines Kanzlers Scholz zu hoffen, ist zu wenig. Wüst braucht Profil, ein zündendes Thema und eine frische Vision, damit er nicht den Weg Laschets geht. Der stolperte ja in Berlin nicht nur über eigene Fehler, Söders Querschüsse und die Gehässigkeiten im Netz. Sondern auch über eine inhaltsleere Kampagne, die seine Qualitäten nie herausarbeitete und ihn stattdessen betulich wirken ließ wie Herrn Kaiser von der Hamburg-Mannheimer mit Zahnschmerzen. Viel Zeit zum Lernen bleibt Hendrik Wüst nicht.