Die westlichen Truppen verlassen Afghanistan Hals über Kopf. Die Taliban überrennen das Land. Es droht ein Rückfall in finstere Zeiten.

Vor wenigen Tagen veröffentlichten die Taliban in den sozialen Medien ein Bild, auf dem einer ihrer Kämpfer vor dem West-Tor der nordafghanischen Stadt Masar-I-Scharif posierte. Es war eine Machtdemonstration. 15 Kilometer entfernt von dieser Stadt ist das Camp Marmal, der letzte Stützpunkt der Bundeswehr.

Am Dienstag haben nun die letzten Bundeswehr-Soldaten das Land am Hindukusch verlassen, 20 Jahre nach dem Beginn des Einsatzes. Sie sind aus einem Land geflohen, das gerade von den radikal-islamischen Aufständischen überrannt wird.

In den vergangenen zwei Monaten haben die Taliban 80 Bezirke in Afghanistan erobert. Aktuell kontrollieren sie 158 Bezirke, fast doppelt so viele wie die Regierung in Kabul. Soldaten der afghanischen Armee laufen scharenweise zu ihnen über.

Es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis die Islamisten wieder die Macht übernehmen und das Land erneut in Finsternis versinkt. Die mühsam erkämpften Rechte von Frauen, die Hoffnung vieler junger Menschen in den Städten auf eine der Welt zugewandte Zukunft – sie drohen zermahlen zu werden.

Es gibt nicht schönzureden. Der Westen ist in Afghanistan gescheitert, und dieses Scheitern muss schonungslos aufgearbeitet werden, schon aus Respekt gegenüber den Soldaten, die dort ihr Leben ließen oder mit Verletzungen an Körper und Seele nach Hause zurückgekehrt sind.

Das Mindeste, was Deutschland jetzt noch tun kann und muss, ist jenen bedingungslos zu helfen, die in den vergangenen Jahren für die Bundeswehr oder die deutsche Polizei gearbeitet haben. Diese Menschen sind in Lebensgefahr, weil die Taliban auf Rache sinnen. Es wäre eine Schande und unverzeihlich, wenn nur einer von ihnen sterben müsste, weil Deutschland ihn im Stich gelassen hat.