Europa ist mehr, als Geld zu verteilen. Es geht um Werte. Und deshalb gibt es auch keine Sieger nach dem EU-Gipfel.

Es macht zornig, wenn Ungarns Regierungschef Viktor Orban nach den EU-Verhandlungen erfreut von einem „Sieg“ schwadroniert. Offensichtlich hat er nicht verstanden, dass eine echte Gemeinschaft keine Sieger kennt.

Immerhin konnte der Ungar nicht verhindern, dass die EU trotz aller Querelen ein kleines Stückchen mehr Europa auf den Weg gebracht hat. Erstmals in ihrer Geschichte überweist die EU Geld an geplagte Corona-Länder wie Spanien oder Italien. Keine Kredite, sondern echte Hilfen. Das ist neu, das ist solidarisch, und das wird den Menschen in jenen Staaten hoffentlich ein wenig mehr Vertrauen in die Union geben.

Pokern der „sparsamen Fünf“

Absolut neu sind auch europäische Steuern, etwa auf Plastikmüll. Nationale Interessen haben solche gemeinsamen Steuern stets verhindert. Nun könnten wir einen ersten Schritt hin zu einer Fiskalunion erleben.

All das tragen übrigens auch die angeblichen „sparsamen Fünf“ mit, allen voran der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. In seinem Land darf er sich nun als harter Hund feiern lassen. Schließlich hat er zwei Milliarden Euro Rabatt herausgeholt. Ein Kalkül: Denn im nächsten Frühjahr steht er vor Parlamentswahlen. Ähnlich gepokert hat Kurz in Österreich.

Schlimme Debatte um den „Zahlmeister Europas“

Gerade solche politischen Winkelzüge sind geeignet, um anderenorts üble Gefühle hervorzurufen. Schon jetzt jammert Deutschlands Boulevardpresse darüber, dass man der Zahlmeister Europas sei. Mit solchen Sprüchen ist man nicht besser als Viktor Orban.

Tatsache bleibt, dass kein Land so sehr von Europa profitiert wie die Bundesrepublik. Das Geld, das nun anderen helfen soll, fließt über Exporte meist wieder zurück.

Es geht um auch Demokratie, Pressefreiheit und Gewaltenteilung

Beschämend ist, dass der EU-Kompromiss die Rechtsstaatlichkeit vergessen hat. Wenn Orban jubelt, läuft etwas gewaltig schief. Hier muss nachverhandelt werden.

Denn Europa ist mehr als Geld verteilen. Gemeinsame Werte wie Demokratie, Pressefreiheit oder Gewaltenteilung sind die Grundlagen unserer Gemeinschaft. Genau diese Aspekte müssen alle Beteiligten herausstellen, wenn sie es wirklich ernst mit Europa meinen.