In einem Land mit über einer Million Millionäre sollte es keine armen Kinder geben, und keine Rentner, die Pfandflaschen sammeln müssen.
Als die Schulen und Kitas geschlossen waren, konnten Kinder aus Hartz-IV-Haushalten nicht mehr kostenlos zu Mittag essen. Was als Arabeske in dem großen Bild der desaströsen Corona-Folgen erscheinen mag, war für Familien, die von Grundsicherung leben müssen, eine schwere Belastung. Kompensiert worden ist das nicht, die 300 Euro Familienbonus, die nun über zwei Monate gestreckt gezahlt werden, sind ein Tropfen auf den heißen Stein.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat jetzt eine Studie zur Vermögensverteilung in Deutschland veröffentlicht. Das Ergebnis: Vermögen sind noch ungleicher verteilt, als bislang bekannt war. Konkret: Das reichste Prozent besitzt 35 Prozent des Vermögens. Weit über eine Million Deutsche gelten als Millionäre.
Es ist wohl nicht verwegen anzunehmen, dass sie von der Corona-Krise mit weniger Wucht getroffen wurden, als die Menschen, die von Grundsicherung leben müssen. Krankheit hat immer auch eine soziale Komponente. Wer arm ist, lebt weniger gesund und stirbt früher. Wer reich ist, kann sich eine gesunde Lebensweise, Prävention und gute Therapien leisten.
Vermögen werden nur selten durch Unternehmergeist allein aufgebaut. Es braucht meist neben findigen Steuerberatern auch öffentliche Infrastruktur und gut ausgebildete Arbeitnehmer, um reich zu werden. Vermögende profitieren enorm von dem, was alle Steuerzahlenden finanzieren.
In den vergangenen Jahren haben die Reichen und Vermögenden in Deutschland zudem eine sehr gute Zeit gehabt. Alle Steuern, die sie treffen, wurden gesenkt oder ganz ausgesetzt. Es ist also längst überfällig, dass sie etwas zurückgeben.
Eine einmalige Vermögensabgabe, wie sie der Sozialverband VdK fordert, um die sozialen Folgen der Corona-Krise zu kompensieren, kann dabei nur ein Anfang sein. Perspektivisch muss das Steuersystem neu justiert werden, um Deutschland wieder zu einem gerechteren Land zu machen.
In einem Land mit weit über einer Million Millionäre sollte es keine Kinder geben, die in Armut aufwachsen, und keine Rentner, die Pfandflaschen sammeln müssen, um über die Runden zu kommen. Die Corona-Krise hat die soziale Krise in Deutschland sichtbarer gemacht. Jetzt wäre die Zeit gekommen, sie zu bekämpfen.