Eine Anzeige von Innenminister Seehofer wegen der Satire in der taz wäre völlig daneben – und ein Angriff auf die Pressefreiheit.
Noch immer ist nicht ganz klar, warum der Mob aus jungen Männern in Stuttgart Polizisten attackierte und zahlreiche Geschäfte plünderte. Was löste die enorme Zerstörungswut aus, aus welchem Milieu stammen die jungen Leute, woher kommt ihre Gewalt gegen die Ordnungshüter?
Was auch immer diese Menschen zu ihren kriminellen Taten bewogen haben mag: Der Artikel aus der Tageszeitung „taz“, der sich satirisch und sehr kritisch mit der Polizei auseinandersetzte, war es sicher nicht. Kaum denkbar, dass in diesen Kreisen überhaupt eine ernstzunehmende Zeitung gelesen wird.
Der Willkür wären Tür und Tor geöffnet
Von daher ist es ungeheuerlich, dass Bundesinnenminister Horst Seehofer ausgerechnet die Autorin jenes Artikels anzeigen will. Solch eine Anzeige wäre nicht nur völlig am Thema vorbei, sondern sie geht auch eindeutig gegen die Pressefreiheit.
Wo kommen wir hin, wenn ein Mitglied der Bundesregierung gegen die Verfasserin eines kritischen Artikels vorgehen will? Der Willkür und politischen Einflussnahme wären Tür und Tor geöffnet. Schlimm genug, dass Erdogan und alle anderen Potentaten auf der Welt die freie Presse aufs Korn nehmen. Was also treibt Seehofer an? Kein Missverständnis: Jeder kann sich an Artikeln, Karikaturen oder Kommentaren reiben. Bestenfalls entsteht daraus eine wichtige Diskussion. Doch verbieten darf man Meinungen nicht.
Die Polizei wird helfen
Anstatt sich also auf die Presse- und Meinungsfreiheit zu stürzen, sollte Seehofer lieber dafür sorgen, dass die Randalierer gefasst werden und solche Tumulte nicht noch einmal passieren. Helfen wird ihm dabei die Polizei, deren Beamte höchsten Respekt verdienen. Genau das wird oft genug – auch in der Presse – betont. Gesagt werden muss aber auch, falls sich Vertreter des staatlichen Gewaltmonopols danebenbenehmen oder politisch radikalisieren. So funktioniert unser freiheitlich-demokratisches Gemeinwesen. Und nicht ohne Grund steht im Grundgesetz die Pressefreiheit ganz oben. Politiker und andere Mächtige haben da nicht dran zu rütteln. Wehret den Anfängen.