Grundschulen in NRW gehen Mitte Juni wieder in den Regelbetrieb. „Reiner Aktionismus“, sagt Martin Korte. „Vertretbares Risiko“, Michael Koch.
Die Grundschulen starten am 15. Juni wieder nach der Corona-Zwangspause und dem derzeitigen Notbetrieb den Regelbetrieb. Das hat NRW-Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) am Freitag verkündet. Ist das der richtige Weg? Zwei Meinungen.
Pro: Das Rest-Risiko ist vertretbar
Bleibt ein Risiko? Ja, es bleibt ein Risiko, wenn am 15. Juni der Regelbetrieb an den Grundschulen in NRW wieder beginnt. Wenn alle Jahrgänge wieder gleichzeitig i n dem Gebäude sind. Wenn die Klassen nicht mehr geteilt werden und nicht mehr 1,50 Meter Mindestabstand eingehalten werden muss. Es bleibt das Risiko, dass sich dort Kinder mit dem Coronavirus anstecken und dass sie es weitertragen. Aber dieses Rest-Risiko ist verantwortbar.
Nein, die Pandemie ist noch lange nicht vorbei, aber schauen wir uns mal die Realitäten an: Seit Wochen gibt es erhebliche Lockerungen, ohne dass es zu einer Steigerung der Infektionszahlen gekommen wäre – ganz im Gegenteil. Kinder, gerade im Grundschulalter, treffen sich seit Wochen auf Spielplätzen, wo die Abstandsregeln natürlich nicht eingehalten werden. Und nichts ist passiert.
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Das darf uns nicht in Sicherheit wiegen, aber ganz klar ist doch: Wenn es regional zu neuen Ausbrüchen kommt, dann sind wir – im Gegensatz zur Situation im März – gut vorbereitet. Es kann dann zu gezielten örtlichen Maßnahmen kommen. Mal abgesehen davon, dass die Grundschulkinder in einer übergroßen Zahl ein erstaunliches Verantwortungsbewusstsein an den Tag legen.
Zuletzt: Es ist richtig, nun schon einmal zehn Tage in den Normalbetrieb zu gehen, um auch eventuelle Schwachstellen zu erkennen. Umso besser sind die Schulen auf den Start nach den Sommerferien mit neuen i-Dötzen vorbereitet. Michael Koch
Kontra-Kommentar: Reiner Aktionismus
Haben wir etwas verpasst? Ist die Corona-Krise schon vorbei? Weiß NRW-Schulministerin Gebauer Dinge, die wir nicht wissen? Die FDP-Politikerin jagt die Grundschüler am 15. Juni wieder in den Regelbetrieb. Heißt: fast alles wie früher. Die Abstandsregel entfällt. Stattdessen sollen feste Lerngruppen gebildet und Durchmischungen vermieden werden.
Hört sich in der Theorie gut an. In der Praxis dürfte es sich aber als fast unmöglich erweisen, Schüler in diesem Alter stundenlang an die kurze Leine zu legen.
Gebauers Vorstoß ist reiner Aktionismus. Bis zum Start der Sommerferien gehen die Kinder ihrer Planung zufolge höchstens noch ganze zehn Mal zur Schule – sollte der Laden aufgrund von Corona-Verdachtsfällen nicht ohnehin vorzeitig wieder schließen müssen. Das, was die Schüler in dieser Zeit lernen können, bleibt überschaubar. Für die Rückkehr in einen Unterrichts-Rhythmus sind zwei Wochen viel zu wenig. Wichtiger wäre eine gute Betreuung während der Sommerferien. Aber die wäre natürlich teuer.
„Jeder Tag zählt“, sagt Gebauer. Mag sein. Aber für die Eindämmung der Pandemie, also für die Gesundheit aller Beteiligten, gilt dieser Satz noch viel mehr. Sicher, der Höhepunkt der ersten Welle ist überschritten, gebannt ist die Gefahr jedoch noch lange nicht.
Ministerpräsident Laschet hat seine Schulministerin schon einmal zurückgepfiffen. Im Wiederholungsfall ist sie auf ihrem Posten nicht mehr zu halten. Martin Korte