Ohne die Niederlage des Nationalsozialismus hätten wir keine Demokratie, kein Grundgesetz und keinen Sozial- und Rechtsstaat.
Es gibt leider nicht mehr viele Menschen, die von den Schrecken des 2. Weltkrieges aus eigenem Erleben erzählen können. Selbst wer zum Kriegsausbruch ein Kind war, geht heute auf die 90 zu. Schon in wenigen Jahren wird es keine Urgroßeltern oder Großeltern mehr geben, die ihren Nachkommen anschaulich und damit glaubhaft erzählen können, wie furchtbar die Zeit der Nazi-Diktatur und des Krieges war.
Bereits jetzt sind die familiären Auseinandersetzungen aus den 60er und 70er Jahren verblasst, als die jungen Leute provokant, aber zu Recht ihre Eltern und Großeltern fragten: „Wie habt ihr euch eigentlich damals verhalten?“ oder „Was habt ihr gewusst?“.
Bis heute sind diese Fragen nicht abschließend geklärt. Und so ranken sich längst wieder Mythen und übles Geschwätz um die Bewertung des 8. Mai als Tag der Befreiung. Erst diese Woche meinte AfD-Chef Alexander Gauland, dass der Tag des Kriegsendes sich „nicht zum Glückstag für Deutschland“ machen lasse. Was will er damit sagen: Dass damals doch nicht alles schlecht war?
Es ist traurig genug, dass es bis 1985 dauerte, dass der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker den 8. Mai als „Tag der Befreiung“ bezeichnete. Selbstverständlich wurde die Welt damals befreit: von der mörderischen Herrschaft der Nazis, vom millionenfachen Töten, vom Bombenhagel. Und befreit wurden die unzähligen Gefangenen in den Lagern, in denen bis zuletzt Millionen ermordet wurden. Endlich war der Krieg zu Ende.
Zu viele haben mitgemacht
Dennoch lohnt gerade heute das Nachdenken über das Wort „Befreiung“. Im Grunde kann man nur jemanden befreien, der gegen seinen Willen in etwas gefangen ist. Doch genau das lässt sich von sehr vielen Deutschen vor und während des Krieges nicht sagen. Die Nazis mussten sie nicht zwingen. Sie jubelten den Verbrechern zu, machten gerne mit. Zumindest aber schauten sie weg, wenn jüdische Mitbürger, Sozialdemokraten, Kommunisten, engagierte Christen und viele andere in Folterkellern oder Lagern verschwanden.
Diese Mitläufer oder gar Täter werden den 8. Mai natürlich allein als Niederlage erlebt haben, nicht als Befreiung. Und genau diese Geschichte wird auch heute wieder gestrickt.
Darum ist es wichtig, dass der 8. Mai zum Gedenktag für Deutschland wird. Ohne die Niederlage des Nationalsozialismus hätten wir keine Demokratie (im Osten seit 1989), kein Grundgesetz und keinen Sozial- und Rechtsstaat, um den uns so viele beneiden.
Der 8. Mai ist also sehr wohl ein Glückstag für unser Land. Denn er beendete den furchtbarsten Krieg der Weltgeschichte, angezettelt von einer menschenverachtenden Diktatur, über die absolut nichts Positives zu sagen ist. „Nie wieder“ lautete 1945 die mahnende Losung, die weiter gilt.