Die Ruhrtriennale ist aufgrund Corona abgesagt, Intendantin Stefanie Carp beschwert sich öffentlich darüber und überschreitet damit eine Grenze.
Von Kulturschaffenden erwarten wir einen etwas anderen Blick auf die Welt, eine gewisse Unangepasstheit. Für die Zeit einer Aufführung genießen wir, am kreativen Chaos der Theaterwelt teilzuhaben, genießen die Lebendigkeit. Doch genau jene Emotionalität, die Regisseure und Dramaturgen auszeichnet, kann zum Problem werden, wenn die Kreativwelt auf harte Realitäten trifft – und Kulturmenschen in Positionen kommen, in denen auch taktisches Geschick, Rationalität und Augenmaß gefragt sind.
Als Intendantin hat Stefanie Carp künstlerisch einwandfreie Arbeit abgeliefert, sich aber schon vor zwei Jahren mit ihrem Aufsichtsgremium überworfen. Damals ging es um die öffentliche, politische Wirkung eines Auftritts von radikalen Israelkritikern (der Band „Young Fathers“). Nun hat sie erneut einen Israelkritiker eingeladen (Achille Mbembe) und dies ebenfalls höchst ungeschickt moderiert.
Nein, natürlich hat die rationale Entscheidung, die Ruhrtriennale aufgrund der Corona-Krise komplett abzusagen, nichts mit dieser Israel-Debatte zu tun. Aber womöglich hätte der Aufsichtsrat einer Intendantin, die politisch geschickter agiert hätte, die etwas geschmeidiger im Umgang gewesen wäre, auch etwas mehr Vertrauen entgegengebracht und ihr das Ende ihrer Intendanz mit einem kleinen Entgegenkommen versüßt – hier eine Aufführung als Streaming ermöglicht, dort einen Kunstspaziergang mit Abstand.
Anderthalb Stunden nach der offiziellen Absage der Ruhrtriennale hat Stefanie Carp am frühen Mittwochabend nachgetreten: Und sich öffentlich über ihren Arbeitgeber beschwert, ihm gar einen Mangel an Urteilskraft unterstellt. Bei allem Verständnis für ihre Enttäuschung, vielleicht auch für ihre Wut: Damit hat sie eine Grenze überschritten und gezeigt, dass sie ihre Rolle in diesem Spiel bis zuletzt nicht verstanden hat.