Essen. Der Virologe Christian Drosten liegt mit seiner undifferenzierten Medienschelte ziemlich daneben. Warum es jetzt nur Hand in Hand geht.
Christian Drosten gehört zweifelsohne zu den inzwischen profiliertesten Virologen Deutschlands. Seine Expertise ist gefragt, weil er kompetent und unaufgeregt aufklärt. Er ist eine angenehme Leitstimme im Stimmengewirr dieser Tage. Doch mit seiner jetzt vorgetragenen, für einen Wissenschaftler bemerkenswert undifferenzierten Medienschelte liegt er ziemlich daneben.
Drosten hat sich bewusst massiv in die Öffentlichkeit begeben, nicht zuletzt mit seinem viel beachteten NDR-Podcast, aber auch in diversen Talkshows, und nun wundert und beschwert er sich über die damit verbundenen Wirkungen und Nebenwirkungen. Natürlich ist es unerträglich, wenn er in einer E-Mail verantwortlich gemacht wird für den Suizid des hessischen Finanzministers. Wieso sind daran nun aber „die Medien“ schuld?
Die Mächtigen sind schon immer das legitime Ziel von Satirikern gewesen
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Drosten ärgert sich darüber, dass Virologen wie er Thema von Karikaturen sind, und kann darüber – was durchaus nachvollziehbar ist – nicht lachen. Dabei sind die Mächtigen schon immer das legitime Ziel von Satirikern und Karikaturisten gewesen, und in diesen Tagen sind es die Virologen, die eine Menge Macht haben: Alle schauen auf sie, die Politik hört auf sie. Manche Kommentatoren warnen, die Virologen dürften nun nicht durchregieren. Auch darüber ärgert sich Drosten, der sagt: Ich will das gar nicht, regieren; ich bin kein Politiker, ich bin Wissenschaftler.
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Recht hat er. Und daher richtet sich die Kritik im Kern auch gar nicht gegen ihn und seine Kollegen, sondern gegen Politiker, die versuchen, politische Verantwortung auf die Experten abzuwälzen, von denen sie sich beraten lassen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch: Der eine oder andere Wissenschaftler findet es auch nicht so schlecht, einmal im Rampenlicht zu stehen.
Millionenpublikum statt kleiner Fachöffentlichkeit: Das kann verlockend sein
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Keiner – auch Drosten nicht – wird gezwungen, zu den Illners und Wills dieser Welt zu gehen, bei denen erkennbar auch eine Prise Krawall Methode hat. Aber vielleicht ist es ja auch ein wenig verlockend, einmal ein Millionen-Publikum jenseits der kleinen Fachöffentlichkeit zu haben, die Drostens Aufsätze sonst nur in verstaubten Bibliotheken liest.
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Lieber Herr Drosten, Sie leisten gerade Großartiges für Ihr Land, bitte machen Sie weiter. Aber erkennen Sie auch die Leistungen jener Journalisten in dieser Krise an, die die Bevölkerung unter erschwerten Bedingungen bestmöglich und umfassend informieren, die schwer verständliche Zusammenhänge erklären und die tief verunsicherten Menschen so ein wenig an die Hand nehmen.
Das geht nur zusammen mit Experten wie Ihnen, nicht gegeneinander. Und wenn etwas schief läuft, nennen Sie Ross und Reiter und differenzieren Sie. Weniger Will, mehr Tagesthemen, weniger Illner, mehr Heute-Journal – und natürlich mehr WAZ und andere seriöse Medien: Das könnte doch ein Weg für Sie sein.